Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Lieferketten Black Friday Weihnachtsgeschäft – wer falsch plant, kann viel verlieren

Damit das Weihnachtsgeschäft rund läuft, braucht es wieder mehr Lager, sonst verlieren Unternehmen wichtige Umsätze.

Der Black Friday: Für Läden und Onlineshops sind der Black Friday und das Weihnachtsgeschäft zentral. Damit sie rechtzeitig genug Material vorrätig haben, läuft im Hintergrund eine global eng verzahnte Lieferketten-Maschinerie. Dieses Jahr sind die weltweiten Lieferketten durch Zölle und Kriege besonders stark gefordert. Schiffe müssen wegen Konflikten und Blockaden wichtiger Handelsrouten Umwege und grössere Verzögerungen in Kauf nehmen.

Hochregallager mit Kisten
Legende: Die Lager der Läden und Online-Händler füllen sich schon jetzt, um bis zum Black Friday, dem ersten Peak des Weihnachtsverkaufs, bereit zu sein. Keystone / Gaetan Bally

Nicht verzocken: Gut ein Viertel der Waren dürften laut Fachleuten bereits verschifft sein. Genaue Zahlen gibt es nicht. Die Handelsunternehmen wollen sich nicht in die Karten blicken lassen. Denn: Wer auf die falsche Lieferstrategie setzt, also die Waren zu früh oder spät oder mit dem falschen Verkehrsmittel verschickt, kann viel Geld verlieren. Paolo Montrone ist Handelsexperte bei Kühne und Nagel, einem der grössten Speditionskonzerne der Welt. «Firmen müssen sich fragen: Was kostet es mich, ein Produktlager zu haben? Was, wenn ich mangels Ware weniger verkaufen kann? Was gewinne ich, wenn ich ein Produkt verkaufen kann, das die Konkurrenz nicht vorrätig hat?»

US-Markt hat mehr Lager: In den USA ist der private Konsum ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Entsprechend wichtig ist das Weihnachtsgeschäft. Hier stellt Montrone einen Wandel fest – weg von just-in-time-Lieferungen. «Unternehmen setzen vermehrt auf Lager. Wer kurz vor der Hauptsaison nicht liefern kann, verliert wichtige Einnahmen.» Grund dafür sind auch die Zollunsicherheiten. Weil die Lage undurchsichtig ist und man nicht weiss, ob noch weitere Zölle folgen, haben viele Händler Waren eingelagert.

Montrone sagt: «Wer zum Beispiel einen Container mit Espresso-Tassen aus China importiert, weiss nicht, ob 30, 40 oder 50 Prozent Zölle anfallen.» Zudem sind die Lieferwege aufgrund von Kriegen länger. Onlineshops und Detailhändler bestellen somit den Laptop, die Puppe oder den Christbaumschmuck dieses Jahr nicht kurzfristig, sondern kaufen frühzeitig ein und hoffen, auf die richtigen Produkte gesetzt zu haben.

USA: Millionen-Zölle für chinesische Schiffe

Box aufklappen Box zuklappen

US-Präsident Trump hat für Mitte Oktober hohe Gebühren angesetzt für Schiffe aus chinesischer Produktion, wenn sie US-Häfen anlaufen. Fakt ist: China ist mittlerweile der weltweit wichtigste Schiffbauer. Die Branche habe das Problem bereits gelöst, sagt Experte Paolo Montrone von Kühne und Nagel. Viele Schiffe wurden in einer koordinierten Aktion einfach umgeleitet. «Zum Beispiel legen acht Schiffe, die bisher wöchentlich von Asien in die USA fuhren, nun in Häfen in Europa und in anderen Ländern an. In die USA fahren Schiffe aus koreanischen oder japanischen Werften. Einzig die staatliche chinesische Reederei Cosco steuert weiterhin US-Häfen an und zahlt die Strafgebühren.» Diese happigen Gebühren von bis zu 1.5 Millionen Dollar pro Schiff und Hafen würden aber nicht auf die Waren geschlagen.

Europa problemlos – vorerst: In Europa verlaufen die Lieferungen derzeit weitgehend nach Plan, sagt Montrone. Allerdings kann sich das schnell ändern. Sollte die Route durchs Rote Meer in den nächsten Monaten wieder befahrbar werden, könnte das die Lieferketten kurzfristig komplett durcheinanderbringen. Schiffe auf der langen Route um Afrika herum träfen praktisch gleichzeitig mit jenen auf der kürzeren Route an den Häfen ein. Es gibt Staus. «Die Schiffe können nicht abladen, nicht zurückfahren und fehlen auf der Strecke. Ein Tag Stau am Terminal sorgt für eine Woche Probleme. Stauen sich die Schiffe gar in mehreren Häfen, bedeutet das Lieferprobleme während mehrerer Monate auf diesen Routen.»

Schweizer Onlinehändler füllen ihre Lager

Box aufklappen Box zuklappen

«Der Grossteil des Sortiments für den Weihnachtsverkauf wird in den nächsten Wochen angeliefert», erklärt Tobias Gruener, Handelschef des Online-Anbieters Brack.Alltron. Die Situation sei herausfordernd. «Wir versuchen immer, mit allen Partnern in der Lieferkette in engem Austausch zu sein, um uns bestmöglich gegen Risiken abzusichern und die Lagerhaltung zu optimieren.» Sie seien konstant daran, das Beschaffungsnetzwerk auszubauen, um trotz komplexer Lieferketten auch kurzfristig Waren beschaffen zu können. Doch sie würden weiterhin vor allem auf Containerlieferungen setzen. «Luftfracht wird nur in absoluten Ausnahmen genutzt.»

Ähnlich tönt es bei der Digitec Galaxus AG. Sie würden praktisch das gesamte Sortiment von Herstellern und Zwischenhändlern mit Lagern in der Schweiz oder der EU beziehen. «Bei gut laufenden Produkten geben wir unseren Vertriebspartnern bereits Monate zuvor Verkaufsprognosen durch, damit diese uns rechtzeitig und in genügender Anzahl mit Produkten beliefern können.»

Katastrophen einplanen: Rund um den Globus sind Tausende Fachleute daran, für alle denkbaren Probleme vorab Lösungen zu finden. Diese Fachleute arbeiten somit viel für den Papierkorb, bestätigt Montrone. «Sie bereiten sich auf ganz unterschiedliche Katastrophen-Szenarien vor. Wenn sie nicht eintreffen, umso besser.» Routen, Schiffe, Container, Stellplätze werden laufend neu geprüft, um den Einfluss von solchen Ereignissen auf den Warenfluss zu minimieren. Das Ziel: Der Konsum – insbesondere in der wichtigen Vorweihnachtszeit – soll, wenn immer möglich, nicht beeinträchtigt werden – weder von Unwettern, Umwegen, Kriegen noch Zöllen.

Echo der Zeit, 25.9.2025, 18 Uhr; wilh

Meistgelesene Artikel