Der Black Friday: Für Läden und Onlineshops sind der Black Friday und das Weihnachtsgeschäft zentral. Damit sie rechtzeitig genug Material vorrätig haben, läuft im Hintergrund eine global eng verzahnte Lieferketten-Maschinerie. Dieses Jahr sind die weltweiten Lieferketten durch Zölle und Kriege besonders stark gefordert. Schiffe müssen wegen Konflikten und Blockaden wichtiger Handelsrouten Umwege und grössere Verzögerungen in Kauf nehmen.
Nicht verzocken: Gut ein Viertel der Waren dürften laut Fachleuten bereits verschifft sein. Genaue Zahlen gibt es nicht. Die Handelsunternehmen wollen sich nicht in die Karten blicken lassen. Denn: Wer auf die falsche Lieferstrategie setzt, also die Waren zu früh oder spät oder mit dem falschen Verkehrsmittel verschickt, kann viel Geld verlieren. Paolo Montrone ist Handelsexperte bei Kühne und Nagel, einem der grössten Speditionskonzerne der Welt. «Firmen müssen sich fragen: Was kostet es mich, ein Produktlager zu haben? Was, wenn ich mangels Ware weniger verkaufen kann? Was gewinne ich, wenn ich ein Produkt verkaufen kann, das die Konkurrenz nicht vorrätig hat?»
US-Markt hat mehr Lager: In den USA ist der private Konsum ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Entsprechend wichtig ist das Weihnachtsgeschäft. Hier stellt Montrone einen Wandel fest – weg von just-in-time-Lieferungen. «Unternehmen setzen vermehrt auf Lager. Wer kurz vor der Hauptsaison nicht liefern kann, verliert wichtige Einnahmen.» Grund dafür sind auch die Zollunsicherheiten. Weil die Lage undurchsichtig ist und man nicht weiss, ob noch weitere Zölle folgen, haben viele Händler Waren eingelagert.
Montrone sagt: «Wer zum Beispiel einen Container mit Espresso-Tassen aus China importiert, weiss nicht, ob 30, 40 oder 50 Prozent Zölle anfallen.» Zudem sind die Lieferwege aufgrund von Kriegen länger. Onlineshops und Detailhändler bestellen somit den Laptop, die Puppe oder den Christbaumschmuck dieses Jahr nicht kurzfristig, sondern kaufen frühzeitig ein und hoffen, auf die richtigen Produkte gesetzt zu haben.
Europa problemlos – vorerst: In Europa verlaufen die Lieferungen derzeit weitgehend nach Plan, sagt Montrone. Allerdings kann sich das schnell ändern. Sollte die Route durchs Rote Meer in den nächsten Monaten wieder befahrbar werden, könnte das die Lieferketten kurzfristig komplett durcheinanderbringen. Schiffe auf der langen Route um Afrika herum träfen praktisch gleichzeitig mit jenen auf der kürzeren Route an den Häfen ein. Es gibt Staus. «Die Schiffe können nicht abladen, nicht zurückfahren und fehlen auf der Strecke. Ein Tag Stau am Terminal sorgt für eine Woche Probleme. Stauen sich die Schiffe gar in mehreren Häfen, bedeutet das Lieferprobleme während mehrerer Monate auf diesen Routen.»
Katastrophen einplanen: Rund um den Globus sind Tausende Fachleute daran, für alle denkbaren Probleme vorab Lösungen zu finden. Diese Fachleute arbeiten somit viel für den Papierkorb, bestätigt Montrone. «Sie bereiten sich auf ganz unterschiedliche Katastrophen-Szenarien vor. Wenn sie nicht eintreffen, umso besser.» Routen, Schiffe, Container, Stellplätze werden laufend neu geprüft, um den Einfluss von solchen Ereignissen auf den Warenfluss zu minimieren. Das Ziel: Der Konsum – insbesondere in der wichtigen Vorweihnachtszeit – soll, wenn immer möglich, nicht beeinträchtigt werden – weder von Unwettern, Umwegen, Kriegen noch Zöllen.