- Drei Viertel aller Befragten gaben in einer Online-Umfrage der Gewerkschaft Unia an, sie fühlten sich bei der Arbeit oft oder gar immer gestresst.
- Belastend seien vor allem überlange Arbeitszeiten, so die Unia.
- An der Befragung nahmen knapp 600 Personen aus der Schweiz teil.
Ständig neue E-Mails, die beantwortet sein wollen, Rückrufe, die drängen, und danach noch rasch einen Bericht fertig schreiben: So oder ähnlich geht es vielen Büroangestellten. Der Pendenzenberg wächst, und der Druck nimmt zu.
Überstunden können nicht kompensiert werden
Der Schuh drücke am meisten bei den überlangen Arbeitszeiten, sagt Unia-Präsidentin Vania Alleva. «Sie werden nicht aufgeschrieben und können daher auch nicht kompensiert werden.» Ein Drittel der Befragten gab an, dass in ihren Betrieben die Arbeitszeiten nicht oder nicht korrekt erfasst wurden.
Die Arbeitszeiterfassung ist ein ganz wesentliches Element zur Verminderung des Stresses.
Ohne Erfassung sei es schwierig zu wissen, wie lange man gearbeitet habe, sagt Arbeitsrechtler Thomas Geiser, Professor an der Universität St. Gallen. So könne man auch nicht prüfen, ob die Arbeitszeitregelung des Gesetzes eingehalten werde. «Insofern ist die Arbeitszeiterfassung ein ganz wesentliches Element zur Verminderung des Stresses.»
Arbeitgeber setzen auf Vertrauen
Für die Arbeitgeber ist die Zeiterfassung hingegen vor allem ein administrativer Aufwand und nicht mehr zeitgemäss, wie Daniella Lützelschwab vom Arbeitgeberverband sagt.
Wenn nicht jede Minute minutiös erfasst wird, ist es eine administrative Erleichterung, auch für den Arbeitnehmer.
«Die Arbeitgeber, aber auch die Arbeitnehmer wollen bei der Arbeitszeit abbilden, was sie im Betrieb leben, nämlich dass sie sich gegenseitig vertrauen und die Arbeit auch richtig gemacht wird, wenn nicht jede Minute minutiös erfasst wird. Und gleichzeitig ist es eine administrative Erleichterung, auch für den Arbeitnehmer.»
Politik diskutiert über weitere Lockerung
In Branchen mit einem Gesamtarbeitsvertrag war vor einem Jahr eine Lockerung der Arbeitszeiterfassung in Kraft getreten: Seither müssen Arbeitnehmer mit hohen Löhnen ihre Arbeitszeit nicht mehr genau aufschreiben.
So müsse es weitergehen, wünscht der Arbeitgeberverband. Er unterstützt deshalb zwei parlamentarische Initiativen, die eine Lockerung in weiteren Branchen verlangt.
Unia-Umfrage baut Druck auf
Die Arbeitgeber messen der Unia-Umfrage wenig Aussagekraft zu und verweisen auf Umfragen des Bundes, wonach eine grosse Mehrheit mit der Arbeit zufrieden sei. Für die Unia ist die genaue Erfassung der Arbeitszeit jedoch zentral.
Es ist kein Zufall, dass sie ihre Umfrage am Montag veröffentlicht hat. Nächste Woche entscheidet die Wirtschaftskommission des Nationalrates über die entsprechenden Lockerungsvorschläge – die Unia will politischen Druck aufbauen.