Derzeit gibt es viele Diskussionen um die Chefetagen in Banken. Es entsteht bisweilen der Eindruck, moderne Führungsstile seien gänzlich an der Bankenbranche vorbeigegangen. Doch der Eindruck täuscht.
«Es gibt drei grosse Trends», sagt Melanie Knjjff von der Schweizerischen Bankiervereinigung. Sie ist für den Personalbereich zuständig und hat darum einen Einblick in die Branche.
Einer der Trends – nebst neuer Lernkultur und mitarbeiterorientierter Führung – ist die Agilität. Agilität ist eine Organisationsform, die von Softwareentwicklern vorangetrieben wurde.
Mehr Vertrauen – weniger Kontrolle
Es geht darum, Entwicklungen schnell voranzutreiben und Lösungen entstehen zu lassen, nicht vorwegzunehmen. Agilität werde oftmals gleichgesetzt mit Strukturlosigkeit, sagt Knijff.
Doch das Gegenteil sei der Fall: Agilität gehe einher mit Struktur und Planung. Häufig geht damit auch ein neues Führungsverständnis einher: mehr Vertrauen, weniger Kontrolle, Dialog statt Befehl. Die Chefin oder der Chef werde bezüglich Werte zum Rollenvorbild – zum Coach, der seine Mitarbeitenden befähigt.
Die UBS gilt als ein Paradebeispiel einer Bank, die agil werden will. Auch andere Banken ziehen nach. «Ein komplexes, digitaleres Umfeld und dazu noch unvorhergesehene Ereignisse wie Corona oder der Krieg mitten in Europa – das alles fordert einen anderen Umgang», sagt auch Stefanie Auge-Dickhut.
Ein komplexes, digitaleres Umfeld und dazu unvorhergesehene Ereignisse fordern einen anderen Umgang.
Auge-Dickhut ist Chefin des Competence Center Ecosystems, welches zum Business Engineering Institute St. Gallen gehört. Das ist ein Forschungstransfer-Institut. Sie forscht im Auftrag von Banken an neuen Geschäftsmodellen. Sie bestätigt den Trend zur Agilität und zu einem neuen Führungsverständnis.
Oft ist nicht mehr nur der Lohn wichtig
Auge-Dickhut Chefin sieht in der Branche zwei Stile: transaktionale und transformationale Führung. Erstere sei eher traditionell, hierarchisch geprägt. Es gelte das Prinzip «Arbeit gegen Gehalt und Bonus».
Bei der transformationalen Führung stehe der Sinn der Arbeit, der Zweck und damit die intrinsische Motivation im Vordergrund. Es gebe in der Branche nun einen Trend hin zu transformationalen Führung.
Wenn Mitarbeitende intrinsisch motiviert sind, spielt es keine Rolle, wo sie arbeiten.
Neue Arbeitsformen wie Homeoffice passen auch besser zu diesem Verständnis. «Wenn man davon ausgeht, dass Mitarbeitende intrinsisch motiviert sind, spielt es keine Rolle, wo sie arbeiten», sagt Auge-Dickhut.
Vertrauen statt Kontrolle, so das Credo. «Die Funktion des Büros ändert sich», sagt sie. Es wird zu einer Art Begegnungszone, wo Kommunikation und Austausch wichtig ist. Zu Hause wird konzentriert gearbeitet.
Mitarbeitende stehen im Zentrum
Neue Führungsmodelle und Kulturen sind nicht auf die Bankenbranche beschränkt. Anika Thym, Doktorandin an der Universität Basel, verweist auf den Global Work Force Report 2022, in dem 1000 Führungskräfte aus zwölf Ländern und zehn Branchen befragt wurden.
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Darin erkennt sie Tendenzen hin zu einem Führungsverständnis, das Mitarbeitende ins Zentrum stellt. «Es wird geschaut, wie Mitarbeitende ihr Leben in die Arbeitswelt vereinbaren können und nicht, wie das sonstige Leben sich in die Arbeit einfügt», sagt Thym. Wie prägend diese Entwicklungen für die künftigen Banken sind, muss sich noch weisen.