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Lohnherbst «Es ist dringend, dass die Löhne endlich steigen»

Zwei Prozent höhere Löhne fordert SGB-Chef Pierre-Yves Maillard. Doch der Anstieg wird nicht einmal halb so hoch sein.

Pierre-Yves Maillard, seit Mai Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, findet zwar lobende Worte für einzelne Arbeitgeber. So hätten die Verhandlungen in der Elektrobranche dazu geführt, dass die Löhne ab Januar um 100 Franken stiegen, im Bausektor um 80 Franken. «Es gibt Arbeitgeber, die verstanden haben, dass es jetzt bessere Abschlüsse braucht», sagt der oberste Schweizer Gewerkschafter im Interview mit «ECO».

Doch sonst äussert er vor allem Kritik. Etwa diese: «In den letzten zwei Jahren sind die Reallöhne gesunken, darum ist es jetzt dringend, dass sie endlich steigen».

Löhne werden um weniger als ein Prozent steigen

Sie werden steigen, aber längst nicht im von Maillard gewünschten Ausmass. Nominal 2 Prozent mehr Lohn hatte der Schweizerische Gewerkschaftsbund zum Auftakt des Lohnherbstes im September für 2020 gefordert. 0,8 Prozent mehr werden es gemäss den Ökonomen der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich effektiv sein.

Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeber-Verbandes, lässt Maillards Kritik nicht gelten. «Schaut man sich die letzten zehn Jahre an und nicht nur ein oder zwei Jahre, dann sieht man, dass die Reallöhne in der Schweiz um neun Prozent gestiegen sind.» Klar gebe es Jahre, in denen die Löhne weniger stiegen. «Aber das ist einfach so über eine längerfristige Entwicklung», sagt Vogt.

Schaut man sich die letzten zehn Jahre an, sind die Reallöhne in der Schweiz um neun Prozent gestiegen.
Autor: Valentin Vogt Präsident Arbeitgeber-Verband

Tatsächlich sind die Nominallöhne in den Jahren nach der Finanzkrise nur wenig gestiegen, um 0,4 bis 1 Prozent jährlich. Allerdings war die Teuerung lange tief oder sogar negativ. Real ist der Lohnzuwachs deshalb bis 2016 höher ausgefallen. 2017 und 2018 sind die Reallöhne leicht gesunken, für die kommenden Jahre rechnen die KOF-Ökonomen wieder mit steigenden Reallöhnen.

Maillards Miene wollen diese Aussichten nicht aufheitern. Im Teuerungs-Index seien die steigenden Krankenkassen-Prämien nicht enthalten. «Wenn wir über Kaufkraftverlust sprechen, haben wir eigentlich eine viel schlimmere Situation», sagt Maillard.

Rentenalter 67 für Maillard keine Option

Kompromisslos gibt sich der Waadtländer beim Rentenalter. Die OECD, die Organisation für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, stellte letzte Woche in Bern ihren Länderbericht zur Schweiz vor. Und empfahl darin Rentenalter 67 für Männer und Frauen - zur langfristigen Sicherung der Altersvorsorge.

Das müssten auch die Gewerkschaften einsehen, doppelt Valentin Vogt nach. Und: «Die Realität wird die Gewerkschaften überholen.»

Arbeitgeber stellen Leute, die über 60 sind, ja gar nicht mehr ein.
Autor: Pierre-Yves Maillard Präsident Schweizerischer Gewerkschaftsbund

Maillard lehnt ab: «Die Arbeitgeber können schon sagen, wir müssten bis 67 oder noch länger arbeiten. Aber sie stellen Leute, die 60 oder älter sind, ja gar nicht mehr ein.» Tatsache sei, dass schon viele über 50 befürchteten, nicht bis 65 arbeiten zu können.

Statt über ein höheres Rentenalter sei die AHV mit Vermögen der Schweizerischen Nationalbank langfristig zu sanieren. Und: «Wir könnten die Lohnbeiträge alle zehn Jahre ein wenig erhöhen, das hat schon in den 50er und 60er Jahren gut geklappt», so Maillard.

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