Ernst Bringold hat sich mit einem Anwalt gewehrt: Der Verwaltungsrat des 45-köpfigen Gipserbetriebs Göpfert und Friedel aus Basel hat darauf bestanden, dass er den Lohn für geleistete Gipserarbeiten auf der Baustelle eines Totalunternehmers erhalte.
Nach monatelangem Schweigen machte der Totalunternehmer plötzlich Gegenforderungen geltend: Der Gipser habe die Baustelle verschmutzt.
Ausbleibende Zahlungen, Gegenforderungen und juristische Spielchen. So würden gewisse Totalunternehmen ihre Marktmacht ausspielen und Handwerksbetriebe unter Druck setzen, sagen mehrere Handwerksbetriebe, mit denen «ECO» gesprochen hat.
Margendruck wegen «Abgebotsrunden»
Bei grossen Bauvorhaben übernimmt der Totalunternehmer viel Risiko und baut oft zu einem Pauschalpreis auf einen festen Termin hin für einen Investor. Zu einem Zeitpunkt, zu dem noch vieles unklar ist.
Darin liege das Problem, sagt Markus Mettler, Geschäftsführer von Halter, selbst als Totalunternehmer tätig: «Heute ist die Planungsindustrie von der Bauindustrie getrennt.» Zuerst werde geplant, dann ausgeführt.
Dieser extrem serielle Ansatz führe dazu, dass bis kurz vor Baubeginn bis ins Detail geplant würde. Die ausführenden Handwerksbetriebe können sich dann nur noch über den Preis in sogenannten «Abgebotsrunden» gegenseitig unterbieten.
Dies drücke auf die Margen der Handwerksbetriebe, was wiederum dazu führe, dass manche unsauber arbeiteten, sagt Stefan Cadosch, Präsident Schweizerischer Ingenieur und Architektenverein (SIA): «Jeder muss auf der Baustelle so effizient wie möglich funktionieren. Wenn man unter derartigem Druck steht, ist die Gefahr gross, dass man anfängt zu betrügen. Oder dass man gewisse Sachen nicht macht, von denen man hofft, dass es niemand merkt.»
Juristenabteilungen statt Baufachleute
Gegen unfachmännische Arbeitsausführung sichern sich die Totalunternehmungen juristisch ab. So müssen ausführende Handwerksbetriebe teils hundertseitigen Werksverträgen zustimmen.
Darin würden Totalunternehmen den Handwerksbetrieben oft nachteilige Zahlungsfristen und Konventionalstrafen für Verzögerungen auferlegen, sagt SIA-Präsident Stefan Cadosch.
Er kritisiert diese Entwicklung. «Es ist verheerend fürs Bauen, dass sich fast mehr Juristen ums Bauen kümmern als am Schluss Baufachleute.» Dennoch glaubt er, dass es Einzelne unter den Totalunternehmen seien, die gezielt Druck auf die ausführenden Unternehmer ausübten.
Ausführende Unternehmen früher einbeziehen
Damit es nicht so weit kommt, will Markus Mettler von Halter die ausführenden Unternehmen bereits viel früher im Planungsprozess einbeziehen.
Denn wenn nicht integriert geplant werde, führe das automatisch dazu, dass Friktionen und Fehler sich bis zum letzten Dienstleister im Bau auswirkten, sagt er.
Digitale Planungshilfen wie das «Building Information Modeling», kurz BIM, würde die Arbeitsweise von Totalunternehmern verändern, sagt Markus Mettler. «Man kann Kreise früher schliessen, schneller und früher innovative Ideen einbringen und ein Bauunternehmer kann schneller mitreden.»
Bis es so weit ist, lassen viele Handwerksbetriebe wie das Gipsergeschäft von Ernst Bringold die Finger von Aufträgen, bei denen ein Totalunternehmer im Spiel ist.
Er meint: «Am Schluss läuft es sowieso auf einen faulen Kompromiss hinaus. Und bei einem solchen Vergleich blutet meistens der Unternehmer.»