Wie wäre es mit einem Mehlwurm-Burger zum Abendessen oder ein paar Heuschrecken als Snack zwischendurch? Vielen Schweizern vergeht bei dieser Vorstellung der Appetit. Oder sie probieren die Insekten höchstens als einmaligen Versuch. Dennoch verkauft die Migros ab heute Dienstag ganze und getrocknete Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken.
«Ich denke, das wird das Lebensmittel der Zukunft sein, weil es werden mehr Menschen mit weniger Essen auskommen müssen», sagt der Produktverantwortliche der Migros, Marcel Oswald. «Und es ist eine nachhaltige Proteinquelle.» Denn die Produktion der gleichen Menge Insektenfleisch benötigt weniger Futter und produziert weniger Treibhausgase als die Produktion von Rind- oder Schweinefleisch.
Skepsis bei Konsumenten
Doch Konsumentenforscherin Christina Hartmann von der ETH Zürich ist skeptisch. Es reiche nicht, Europäern zu sagen, dass Insekten nachhaltig seien. Denn während rund zwei Milliarden Menschen vorwiegend in Südostasien, Südamerika und Afrika regelmässig Insekten essen, gehört dies nicht zur Kultur in Europa. Auch wüssten die Leute hierzulande schlicht nicht, was sie mit den ganzen Insekten anstellen sollen. In den Niederlanden, wo Insekten schon früher in Supermärkten angeboten wurden, sind sie wegen geringerer Nachfrage inzwischen wieder von einigen Regalen verschwunden.
Dem versucht der Grossverteiler Migros entgegenzuwirken, indem seit Kurzem Insektenkochkurse angeboten werden und mit Kochanleitungen auf der Rückseite der Insekten-Verpackungen die essbaren Insekten einfacher in unsere Küche integriert werden sollen.
Doch Hartmann sagt auch, dass der Ekel vor Insekten bei vielen noch zu gross sei. Zudem wünschten wir gar keine solchen neuen Produkte, wollten sie schon gar nicht in unseren Alltag integrieren.
Grösster Insektenproduzent enttäuscht
In der Schweiz sind Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken seit rund 1,5 Jahren zugelassen. Bisher war Coop der einzige Detailhändler, der sie als Burger, zu Bällchen verarbeitete oder als Teil einer Snackmischung verkaufte. Von Coop heisst es, die Nachfrage sei nach einem ersten Anstieg kurz nach Einführung stabil, bleibt aber ein Nischenprodukt. Zu seinen Verkaufszahlen schweigt der Detailhändler.
Der grösste Schweizer Lebensmittelinsektenproduzent Entomos hingegen, der die Krabbeltiere unter anderem auch für Coop produziert, ist vom Kundeninteresse enttäuscht. Sie hätten viel investiert, könnten aber nur einen Bruchteil der geplanten Mengen herstellen. Und weil die Nachfrage noch klein sei, könne man die Tiere auch nicht in grösseren Massen produzieren, was die Kosten höher halte, sagt Urs Fanger, Geschäftsführer der Entomos AG gegenüber 10vor10. Zur Zeit versucht das Mutterunternehmen von Entomos, die Andermatt Gruppe, einen Käufer für die Lebensmittelinsekten zu finden.
Trotzdem, Migros gibt sich optimistisch: «Wir glauben wirklich daran, dass die essbaren Insekten eine Zukunft haben», sagt Produkteverantwortliche Marcel Oswald. Auch die Migros-Fleischabteilung, Micarna, forscht an weiteren Insektenprodukten.