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Die Pharma will Neugeborene genauer untersuchen
Aus SRF 4 News vom 16.11.2022. Bild: Keystone-SDA
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Mehr Baby-Screenings? Diskussion um Ausdehnung von Neugeborenen-Untersuchung

Die Pharmafirmen wollen mehr Tests auf seltene Krankheiten. Sie würden selbst auch davon profitieren, weil sie entsprechende Therapien anbieten können.

Neugeborene werden kurz nach der Geburt auf einige ausgewählte Krankheiten untersucht. Das sogenannte Neugeborenen-Screening umfasst insgesamt zehn Krankheiten. Dazu gehören etwa Stoffwechselstörungen oder Immundefekte.

Jetzt möchte die Pharmaindustrie das Neugeborenen-Screening ausbauen. Weitere Krankheiten, auch sogenannt seltene Krankheiten, sollen ins Screening aufgenommen werden.

Alle Babys testen?

Zum Beispiel die spinale Muskelatrophie SMA, eine seltene Muskelschwund-Krankheit. Obwohl nur eines von rund 10'000 Babys davon betroffen ist, sollen alle Neugeborenen standardmässig mit einem Bluttest auf diese Krankheit getestet werden.

Eine Früherkennung ist nötig, damit diese Krankheiten nachhaltig behandelbar sind.
Autor: Matthias Baumgartner Kinderarzt und Leiter Neugeborenen-Screening Schweiz

Matthias Baumgartner vom Kinderspital Zürich fände das sinnvoll. Er ist nebst seiner Tätigkeit als Kinderarzt Leiter des Neugeborenen-Screenings Schweiz. So könnten allfällig vorhandene Krankheiten früh erkannt werden – bevor Schaden entstehe. «Das ist nötig, damit diese Krankheiten nachhaltig behandelbar sind.»

Das ist etwa bei SMA möglich, es gibt diverse Therapien. Eine neue und teure Therapie mit dem Namen Zolgensma stammt vom Pharmakonzern Novartis. Bekannt geworden ist sie, weil sie mehr als zwei Millionen Franken kostet.

Pharmabranche für Screenings

Dass Novartis zu jenen gehört, die sich für ein umfassenderes Screening einsetzen, erstaunt daher wenig. Das Geschäftsinteresse des Pharmakonzerns liegt auf der Hand.

Bei einer verzögerten Therapie muss man mit schwersten Behinderungen oder Todesfällen rechnen.
Autor: Kay Moeller-Heske Novartis-Sprecher

Daran sei nichts Verwerfliches, sagt Kay Moeller-Heske von Novartis. Schliesslich gebe es verschiedene Therapien. Wichtig sei, dass sie rasch angewandt würden. «Wenn die betroffenen Kinder später therapiert werden, muss man mit schwersten Behinderungen oder Todesfällen rechnen.»

Wenn die Krankheit also früh erkannt wird – dank des Neugeborenen-Screenings – habe die Behandlung also bessere Erfolgsaussichten. Zudem: «Zuwarten wird für alle Beteiligten teurer», so der Novartis-Mann.

Symbolbild: Neugeborenens.
Legende: Bei SMA sollte die Behandlung möglichst früh einsetzen – allerdings ist die Kostenseite auch nicht zu vernachlässigen: Wenn 10'000 Babys getestet werden, um eines zu erkennen, das unter SMA leidet, kostet allein das 100'000 Franken. Keystone/Gaetan Bally

Deshalb gebe es weder ethisch-moralisch noch medizinisch-wirtschaftlich einen Grund, zuzuwarten. Das gelte auch für andere seltene Krankheiten und Therapien. Ziel sei darum eine Ausweitung des Screenings, so Moeller-Heske.

Ethische Diskussion nötig

Dem stehe grundsätzlich nichts im Weg, sagt Kinderarzt Matthias Baumgartner. Allerdings müsse der Nutzen des Screenings bei jeder Krankheit angeschaut werden. Das sehen auch die Expertinnen von Krankenversicherern so.

Zwar kostet ein zusätzlicher Test im Screening mit zehn Franken verhältnismässig wenig, doch brauche es für jeden zusätzlichen Test detaillierte Abklärungen über den Nutzen.

Welche Krankheiten im Neugeborenen-Screening gesucht werden sollen und wie weit die Auswertungen gehen sollen, ist gemäss Baumgartner letztlich aber auch eine gesellschaftliche Diskussion, die nicht nur die Ärzte unter sich diskutieren sollten.

Das BAG muss letztlich über eine Aufnahme entscheiden, gestützt auf Einschätzungen von Fachgremien. Auch im Fall von Zolgensma ist das so. Ein Gesuch ist aber noch nicht eingereicht.

Rendez-vous, 16.11.2022, 12:30 Uhr

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