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Menschen in Anzügen.
Legende: Das Fachwissen von Verwaltungsräten hat zugenommen. Negative Schlagzeilen bleiben dennoch nicht aus. Colourbox

Mehr Mut ist gefragt Ein Verwaltungsrat muss dem Chef Paroli bieten können

Im Tagesrhythmus laden Unternehmen ihre Aktionäre zur Generalversammlung (GV) ein. Auf der Traktandenliste jeder GV: Der Punkt «Wahlen in den Verwaltungsrat». Das sind wichtige Personalentscheide. Denn der Verwaltungsrat bestimmt die Unternehmensstrategie und hat die Oberaufsicht über die Firma.

Die Anforderungen an einen Verwaltungsrat seien entsprechend gross, sagt Daniel Frutig, Verwaltungsratspräsident beim Fräsmaschinenbauer Starrag: «Eine Dimension ist die fachliche Kompetenz. Aber es kommt auch auf die Persönlichkeit an. Die ist ebenso wichtig. Man kann nicht jemanden reinholen, der Fachwissen hat, aber menschlich nicht passt.» Denn am Schluss, so Frutig, sei der Verwaltungsrat für den Unternehmenserfolg verantwortlich.

Mehr Frauen, mehr Ausländer und mehr Fachwissen

In einem Verwaltungsrat sind unterschiedliche Perspektiven gefragt. Nur ein vielseitiger und kompetenter Verwaltungsrat sieht zum Beispiel Trends voraus. Und genau da hat sich einiges getan in der Schweiz. Vor zehn Jahren waren bei Unternehmen im breiten Swiss Performance Index (SPI) nur 7 Prozent der Verwaltungsräte Frauen. Aktuell sind es 17 Prozent. Auch der Ausländeranteil hat von 27 Prozent auf 35 Prozent zugenommen. Das zeigt eine Auswertung von Inrate, einer auf Nachhaltigkeit spezialisierten Ratingagentur, für «ECO».

Veränderungen bei Verwaltungsräten

2008
2018
Durchschnittsalter57 Jahre
59 Jahre
Amtsdauer6,7 Jahre
6,9 Jahre
Anteil weiblich
7 %
17 %
Anteil Ausländer
27 %
35 %
Quelle: Inrate

Aber nicht nur die demografische Diversität der Schweizer Verwaltungsräte hat sich verbessert: Sie verfügen auch über mehr Fachwissen. So zeigt ein Zehnjahresvergleich, dass die Schweizer Verwaltungsräte die Branche, in der ihr Unternehmen tätig ist, besser kennen. Und sie verfügen öfters über internationale Berufserfahrung und Erfahrung als CEO. Ebenso zugenommen hat die Zahl der Verwaltungsräte mit Finanzwissen.

Wissen und Erfahrung von Verwaltungsräten

2008
2018
Internationale Erfahrung
48 %
73 %
CEO-Erfahrung49 %
58 %
Finanzwissen60 %
66 %
Branchenwissen53 %
61 %
Erfahrung in Schwellenländern
nicht erhoben
20 %
Erfahrung in Übernahmen und Fusionen
nicht erhoben34 %
Wissen in Digitalisierung
nicht erhoben8 %
Quelle: Inrate

Diese Entwicklung ist laut Christoph Volonté, Experte für Unternehmensführung bei Inrate, eine logische Konsequenz: «Heute ist die Geschäftswelt sehr komplex, schnell und international. Das muss im Verwaltungsrat auch reflektiert werden.»

Trotz mehr Wissen hapert es in der Praxis

Allerdings, auch wenn das Wissen bei den Verwaltungsräten zunimmt, sorgen diese immer wieder für negative Schlagzeilen, zuletzt der Raiffeisen-Verwaltungsrat.

  • Der ehemalige Chef der Bank, Pierin Vincenz, sitzt wegen Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung in Untersuchungshaft. Dem Verwaltungsrat wird vorgeworfen, er habe seine Aufsichts- und Kontrollpflicht vernachlässigt.
  • Ein weiteres Beispiel ist Alpiq. Der Stromkonzern hatte nach der Jahrtausendwende viel Geld in Kraftwerke im Ausland investiert und damit Milliarden verloren. Die riskante Strategie war vom Verwaltungsrat abgesegnet worden.
  • Versagt hatte auch der damalige Verwaltungsrat der Grossbank UBS. Er hatte die Risiken im US-Hypothekengeschäft falsch eingeschätzt. Am Ende stand die Bank vor der Pleite und musste vom Staat gerettet werden.

Die Firma Egon Zehnder hilft Unternehmen bei der Suche nach Verwaltungsräten. Philippe Hertig, Partner bei Egon Zehnder, nennt verschiedene Gründe, warum ein Verwaltungsrat als Ganzes versagen kann: «Der erste Grund ist die unprofessionelle Beurteilung von möglichen Verwaltungsratskandidaten und demzufolge Fehlbesetzung. Der zweite Grund ist die ungenügende Evaluation von der Leistungsfähigkeit des Verwaltungsrats als Gremium.» Es kommt nicht nur auf das Wissen an. Verwaltungsräte müssen auch mutig sein und sich hinterfragen.

Es lief Vieles schief bei Raiffeisen: Hier hat der langjährige Konzernchef Pierin Vincenz die Bank dominiert. Der Verwaltungsrat liess ihn walten. Das soll bei der Firma Starrag nicht passieren. Verwaltungsratspräsident Frutig hat genaue Vorstellungen, was für Leute er im Verwaltungsrat will: «Solche, die sagen, was sie denken und auch Paroli bieten können.»

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