Zu wenig Strom zu haben, ist ein Szenario, das man sich hierzulande nicht so richtig vorstellen kann. Aber zwei Ereignisse in jüngster Zeit haben gezeigt, dass ein solcher Fall doch nicht so unwahrscheinlich ist: der grossflächige Stromausfall neulich in Spanien und die sogenannte Dunkelflaute im vergangenen Herbst in Deutschland.
Strom ist nicht gottgegeben. Wenn wir in ein Energiesystem mit mehr Erneuerbaren gehen, brauchen wir mehr flexible Kapazitäten, um die Fluktuation der Erneuerbaren auszugleichen.
Damals war es während mehrerer Tage bewölkt und fast windstill, entsprechend haben die Solaranlagen und Windräder wenig Strom produziert. Dies zeige, so Christoph Brand, der Axpo-Chef: «Strom ist nicht einfach gottgegeben und kommt aus der Steckdose. Und wenn wir in ein Energiesystem mit mehr Erneuerbaren gehen, brauchen wir mehr flexible Kapazitäten, um die Fluktuation der Erneuerbaren auszugleichen.»
Bei Trockenphasen oder Atomkraft-Ausfällen
Wenn die Sonne nicht scheint und deshalb die Solaranlagen wenig Strom liefern, kann dies die Schweiz heute grundsätzlich gut ausgleichen, vor allem dank der grossen Stauseen in den Alpen. Aber bei längeren Trockenphasen oder wenn plötzlich ein Kernkraftwerk ausfällt, könnte Strom durchaus knapp werden. Und genau für solche Situationen sind die Reservekraftwerke vorgesehen.
Einige dieser Kraftwerke stehen schon, jenes in Muttenz wird nun neu gebaut. Die Axpo hat vor zwei Wochen vom Bund den Zuschlag dafür erhalten: «Jetzt beginnen dann konkrete Vertragsverhandlungen. Es gibt noch Details zu klären, und dann beginnt der ganze juristische Prozess mit den Bewilligungen. Dieses Kraftwerk steht nicht morgen», so der Axpo-Chef.
Kosten von mehreren hundert Millionen Franken
Die Axpo geht aktuell davon aus, dass das Kraftwerk frühestens ab 2029 einsatzbereit ist. Noch offen ist etwa, was der Bau und dann der Betrieb kostet, so Christoph Brand: «Die genauen Kosten hängen noch von den Vertragsverhandlungen ab. Was man sicher sagen kann: Wir sprechen von mehreren hundert Millionen Franken Investitionen.» Bezahlt wird dieses und die vier anderen Kraftwerke letztlich von den Strombezügerinnen und Strombezügern via den Strompreis.
Bei so einem Werk kann man nicht wie bei Lego einfach noch etwas anbauen.
Diese fünf Kraftwerke sind aber möglicherweise nur die erste Etappe: Denn die Elcom, die Aufsichtsbehörde über die Stromversorgung der Schweiz, hat jüngst in ihrer Prognose festgehalten, dass die Schweiz ab Mitte der 2030er-Jahre weitere Reservekraftwerke benötigt.
Auf die Frage, ob das Kraftwerk dann erweitert werden könne, sagt der Axpo-Chef Brand: «Das ist nicht so einfach. Bei so einem Werk kann man nicht wie bei Lego einfach noch etwas anbauen. Es ist genau anzuschauen, was überhaupt möglich ist. Ich glaube, wir werden nicht ohne weitere Reservekraftwerke auskommen.»
Vielleicht braucht es noch Notgaskraftwerke
Reservekraftwerke also wie jenes, das nun in Muttenz geplant ist. Und es brauche zusätzlich allenfalls Gaskraftwerke, die auch längere Phasen überbrücken können, in denen der Strom knapp ist.
Dass das neue Reservekraftwerk gleich beide Aufgaben erfüllen könnte, ist aber nicht vorgesehen, erklärt Brand: «Diese Notgaskraftwerke müssen sehr schnell hochgefahren werden können. Es ist eine andere Technologie als diese Gaskraftwerke, die vielleicht 2000 Stunden pro Jahr operieren. Das ist nicht das Gleiche.»
Mit dieser Frage wird sich die Politik befassen müssen, falls neue Gaskraftwerke ernsthaft in Betracht gezogen werden.