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Musik und KI Maschine oder Mensch? Musikbranche deklariert erstmals KI-Lieder

Immer mehr Lieder werden mit künstlicher Intelligenz (KI) produziert. Die Branche reagiert mit der Deklaration solcher Musik.

Darum geht es: Stellen Sie sich vor: Sie haben ein neues Lied entdeckt, welches ihnen unter die Haut geht. Sie möchten ein Konzert besuchen und interessieren sich für die Band. Bloss: Der Song wurde von einer Maschine produziert, von einem Programm. Die Branche wird derzeit von solchen Liedern mit künstlicher Intelligenz überflutet.

Streamingdienst mit weltweit erster Deklaration: Nun reagiert Deezer. Als erster Streamingdienst deklariert das Unternehmen diese Lieder – Songs mit KI werden gekennzeichnet. Dies soll Transparenz schaffen. KI-Lieder werden vom Algorithmus weniger berücksichtigt als Musik von Menschen.

Cover zeigt junge Frau vor Gruppe mit Männern.
Legende: Verknallt in einen Talahon: Dieser weitgehend mit KI produzierte Song hat es im vergangenen Jahr in die deutsche Hitparade geschafft. Butterbro

KI produziert 18 Prozent der Lieder auf der Plattform: Deezer reagiert mit der Deklaration auf die zunehmende Flut von KI-Songs. Pro Tag werden mehr als 20'000 reine KI-Songs auf Deezer hochgeladen, das sind 18 Prozent aller neuen Lieder. Nun hat der Streamingdienst so etwas wie eine Röntgenmaschine entwickelt. Die neuen Songs werden mit einem Programm durchleuchtet, das KI-Songs herausfiltert und als solche kennzeichnet. «Wir haben in den letzten Monaten eine massive Zunahme an KI-generierten Liedern festgestellt und es gibt keine Anzeichen einer Abschwächung», schreibt Alexis Lanternier, Chef von Deezer. Es sei ein Thema für die gesamte Musikindustrie.

Das ist Deezer

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Das Unternehmen aus Frankreich bezeichnet sich selbst als die zweitgrösste unabhängige Musikplattform der Welt. Die Nummer eins ist Spotify. Hinzu kommen weitere Anbieter, die in grösseren Firmen eingebunden sind, vor allem Apple Music, Amazon Music, Youtube Music, Tencent Music, Netease Music und Yandex.

Deezer verfügt gemäss eigenen Angaben über fast elf Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, das Unternehmen hat weltweit mehr als 600 Angestellte und generierte 2023 einen Umsatz von 485 Millionen Euro.

Lob aus der Schweiz: «Deezer hat mit der Einführung einer Deklaration für Musik, die vollständig mit KI produziert wurde, eine wichtige und richtige Massnahme ergriffen», schreibt Lorenz Haas, Geschäftsführer von Ifpi Schweiz, dem Branchenverband der Musiklabels. Die Deklaration schaffe Transparenz und gebe dem Publikum die Möglichkeit, besser zu verstehen, wie die Musik entstanden sei.

Es entsteht gerade ein Konkurrenzverhältnis zwischen menschlichem und rein maschinellem Schaffen.
Autor: Lorenz Haas Geschäftsführer von Ifpi Schweiz

Mensch versus Maschine: Die mit künstlicher Intelligenz geschaffene Musik steht in direkter Konkurrenz zu den Werken von Musikerinnen und Musikern. Texter und Komponistinnen könnten laut einer Studie einen Viertel ihrer Einnahmen verlieren – eine Einbusse von jährlich vier Milliarden Euro.

Und auch der Schweizer Branchenverband Ifpi ist alarmiert: «Aus der Perspektive von Musikproduzentinnen und Songwritern entsteht gerade ein Konkurrenzverhältnis zwischen menschlichem und rein maschinellem Schaffen», so Lorenz Haas. Deshalb sei es sinnvoll, dem Publikum mit einer Kennzeichnung eine Entscheidungsgrundlage zu bieten.

Wie generiere ich einen KI-Song?

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Es wird immer einfacher, selbst einen Song mithilfe von künstlicher Intelligenz zu schaffen, sozusagen per Knopfdruck. Dazu gibt es verschiedene Generatoren, am bekanntesten sind Udio und Suno. Solche Apps sind allerdings umstritten. KI-Modelle greifen auf Datenbanken zurück und bedienen sich an Texten und Melodien von Liedern, ohne dass dabei die Künstlerinnen und Künstler ausreichend entschädigt werden.

Reaktion von Spotify: Der weltweit grösste Streamingdienst für Musik beobachtet die Entwicklung genau. Es brauche in der Branche einen Standard für alle – Regeln im Umgang mit der Deklaration von KI-Musik, schreibt Spotify auf Anfrage von SRF. Der Streamingdienst aus Schweden verweist auf die Standardisierungs­organisation Digital Date Exchange (DDEX). Diese sei daran, eine Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen in der Musikbranche auszuarbeiten. Sobald ein Standard vorliege, werde Spotify beurteilen, wie dieser umgesetzt werden könne. Spotify verfügt über eine Sammlung von mehr als 100 Millionen Liedern, pro Tag kommen 100'000 neue Titel hinzu.

Frau mit Kopfhörer
Legende: Die Musikindustrie steht vor ungewisser Zukunft. (Symbolbild) Imago / Peopleimages

Gesetzgeber gefordert: Künstliche Intelligenz in der Musikbranche beschäftigt auch die Gesetzgeber, die Politik ringt mit neuen Regeln. Im vergangenen Jahr wurde in der EU der AI-Act verabschiedet. Dieser sieht Transparenzvorschriften bei der Entwicklung von KI-Modellen vor. Eine Verpflichtung, KI-Songs auf Streaming-Plattformen zu kennzeichnen, besteht aber derzeit noch nicht.

Politischer Vorstoss in der Schweiz

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In der Schweiz ist eine Motion von FDP-Ständerätin Petra Gössi hängig, welche die Inhalte von Musik besser schützen will. Der Ständerat hat sie bereits angenommen.

Nun baue aber die US-Techindustrie ein Lobbying auf und mache Druck auf die weitere Beratung, kritisiert der Musikverband Ifpi. «Die Techunternehmen wünschen sich den Abbau jeglicher Regulierung, damit ihre Bots ganz legal das gesamte im Internet versammelte kulturelle Schaffen absaugen können – ohne die Rechteinhaber anfragen und vergüten zu müssen, schreibt Lorenz Haas. Dies sei eine inakzeptable Enteignung am Geistigen Eigentum der Künstlerinnen, Autoren und Produzentinnen.

SRF 4 News, 25.6.2025, 16:14 Uhr; flal; sten

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