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Nach Krisenjahren Gewerkschaften: Zeit ist reif für Lohnerhöhungen

Nach dem Gewerkschaftsbund verlangt auch Travailsuisse zwei Prozent mehr Lohn. Das Argument: Mit der Schweizer Wirtschaft gehe es aufwärts. Ob diese Forderung gerechtfertigt ist: Eine Analyse.

Das muss man den Gewerkschaften lassen: In den vergangenen Jahren haben sie zweifellos gut verhandelt. Denn obwohl es keine Teuerung gab – Waren und Dienstleistungen wurden in der Schweiz seit dem Jahr 2011 sogar billiger – konnten sie in vielen Branchen kleinere Lohnerhöhungen herausholen.

Massimo Agostinis

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Massimo Agostinis

Der SRF-Wirtschaftsredaktor war bis Ende 2014 als Italien-Korrespondent in Rom tätig.

Rein statistisch betrachtet waren diese Erhöhungen also nicht zwingend, zumal auch die Wirtschaft bescheidener wuchs. Die Gewerkschaften zeigten sich dafür im Krisenjahr 2015 sehr flexibel, als die Nationalbank über Nacht den Frankenkurs freigab und sich dieser gegenüber dem Euro massiv verteuerte.

Teuerung zieht erstmals wieder an

Sie waren einverstanden mit zeitlich befristeten Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnfolgen und passten ihre Lohnforderungen nach unten an. Besonders der arg gebeutelten Maschinenindustrie kamen die Arbeitnehmerorganisationen entgegen.

Jetzt aber sehen die Gewerkschaften die Zeit dafür gekommen, dass die Lohntüte aller wieder etwas mehr gefüllt wird, und zwar um bis zu zwei Prozent. Dieses Jahr sind die Forderungen der Gewerkschaften – wiederum rein statistisch betrachtet – gerechtfertigter als in den vergangenen Jahren.

Denn erstmals seit etwa fünf Jahren hat die Teuerung in den ersten Monaten dieses Jahres wieder angezogen. Und auch die Wirtschaftsaussichten sind besser geworden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft geht 2017 von einem Wachstum von 1,4 Prozent aus. Für nächstes Jahr erwartet es gar etwas mehr.

Gute Prognosen für Exportindustrie

Und es könnte noch besser ausfallen. Dann nämlich, wenn die Exportindustrie wegen des schwächeren Frankens wieder mehr als prognostiziert verdient und vom Aufschwung im Euroraum profitiert. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Franken gegenüber dem Euro bei etwa 1,15 bleibt und der Aufschwung in Europa tatsächlich dazu führt, dass wieder mehr Schweizer Waren bestellt werden.

Bei den anstehenden Lohnverhandlungen werden die Arbeitgeber genau auf diese Unsicherheit hinweisen. Vor allem in der Maschinen-, Elektro und Metallindustrie sind bei den kleinen Unternehmen die Wunden der letzten Jahre noch lange nicht verheilt. Sie dürften sich mit Händen und Füssen gegen Lohnerhöhungen stemmen. Andere Branchenvertreter, deren Aussichten rosiger sind, dürften sich bei den Verhandlungen geschmeidiger zeigen.

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