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Fleisch aus dem Labor
Aus 10 vor 10 vom 22.06.2023.
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Nach US-Verkaufsbewilligung Laborfleisch könnte in den USA bald marktfähig werden

Zwei Unternehmen haben die Genehmigung erhalten, in den USA Laborfleisch zu verkaufen. Ein Überblick über die Chancen, Marktrisiken und Aussichten.

Worum geht es? Das US-Landwirtschaftsministerium hat erstmals den Verkauf von In-vitro-Fleisch genehmigt. Dabei handelt es sich um im Labor hergestelltes Fleisch, oft auch Laborfleisch oder kultiviertes Fleisch genannt. Die Bewilligung erhalten haben die Firmen Upside Food und Good Meat aus dem US-Bundesstaat Kalifornien, und zwar für kultiviertes Hähnchenfleisch. Vorerst wird in den USA das Fleisch aber nur in ausgewählten Restaurants erhältlich sein.

Die Zukunft? Fleisch aus der Petrischale.
Legende: Die Zukunft? Fleisch aus der Petrischale. IMAGO/Wirestock

Wieso ist das wichtig? Mit der Herstellung von Laborfleisch ist viel Hoffnung verbunden. Zunächst hat es den Vorteil, dass es tierische Proteine enthält, ohne dass dafür Lebewesen an der Tierhaltung leiden und letztlich geschlachtet werden müssen.

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es ein Umdenken in der Ernährung und damit auch eine Reduktion des Fleischkonsums.
Autor: Jeanine Ammann Expertin für nachhaltige Ernährung

So sagt auch Jeanine Ammann, Expertin für nachhaltige Ernährung: «Die Nachteile der Tierhaltung sind mittlerweile gut bekannt. Die Fleischherstellung ist sehr ressourcenintensiv und trägt damit zum Klimawandel bei.» Ammann arbeitet auch als wissenschaftliche Mitarbeitern bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für die Forschung in der Land- und Ernährungswirtschaft sowie im Umweltbereich.

In-vitro, Labor, kultiviert: die Benennung und ihre Wirkung

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Jeanine Ammann, Expertin für nachhaltige Ernährung, betont, dass sich die Terminologie «Laborfleisch» potenziell negativ auf die Akzeptanz der Kundinnen und Kunden auswirken könne. «Laborfleisch impliziert, dass das Fleisch aus dem Labor kommt, was nicht besonders appetitlich klingt und die Akzeptanz eher reduziert als erhöht», so Ammann. Das Gleiche gelte für In-vitro-Fleisch, weil dies an die Petrischale und damit ebenfalls wieder ans Labor erinnere.

In einem ersten Schritt würde Ammann daher beim Namen beginnen und eine bessere Bezeichnung einführen. «Ein Begriff wie kultiviertes Fleisch scheint mir da deutlich wertneutraler und geeigneter», findet Ammann.

Nützt kultiviertes Fleisch im Kampf gegen die Klimakrise? Auch wenn es gemäss Ammann noch nicht viele Daten zur Nachhaltigkeit von Laborfleisch gibt, deutet fast alles darauf hin, dass seine Produktion weniger ressourcenintensiv ist als diejenige von herkömmlichem Fleisch. «Eine zentrale Frage ist sicherlich, woher die Energie kommt für die Produktion», sagt sie. Ein Beispiel: Gemäss den Forschungsstellen CE Delft und GFI kann der CO₂-Fussabdruck von Rindfleisch um bis zu 92 Prozent sinken, wenn «grüner» Strom aus Erneuerbaren Energien für die Kultivierung genutzt wird.

USA und Singapur als Vorreiter – und die Schweiz?

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Nach Singapur sind die USA das zweite Land, in dem kultiviertes Fleisch verkauft werden darf. Wie sieht die Situation hierzulande aus? Sarah Camenisch ist Mediensprecherin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Damit Laborfleisch in der Schweiz verkauft werden darf, muss hier zunächst ein Qualitätsprüfungsprozess durchlaufen werden. «Laborfleisch gilt in der Schweiz wie auch in der EU als neuartiges Lebensmittel und ist bewilligungspflichtig», erklärt Ammann. Für die Bewilligung müssten Hersteller ein «umfangreiches Dossier beim BLV einreichen.»

Camenisch sagt auch, dass beim BLV bislang keine derartigen Gesuche eingegangen sind. «Auch in der EU wurde bis jetzt kein Bewilligungsgesuch eingereicht.» Wenn ein Hersteller aber alle Bewilligungsvorgaben erfüllt und das Lebensmittel als sicher beurteilt wird, spricht nichts gegen den Verkauf und Konsum von im Labor hergestelltem Fleisch. Camenisch betont aber: «Laborfleisch ist eher ein Luxusprodukt, da die Herstellung noch sehr teuer ist.»

Im Schweizer Detailhandel gibt es ebenfalls Bestrebungen, auf den Zug aufzuspringen. So investiert die Migros etwa in zwei israelische Start-ups, welche an Fleisch tüfteln, das in Bioreaktoren aus einer Zelle heranwächst. Klar ist vonseiten des orangen Riesen, dass kultiviertes Fleisch «preislich zumindest gleich teuer wie herkömmliches Fleisch werden muss», so Marcel Schlatter, Leiter der Migros-Medienstelle. «Ansonsten ist es kaum marktreif.» Davon sei man derzeit «noch ein Stück entfernt».

Allgemein sei davon auszugehen, dass kultiviertes Fleisch erst in rund zehn Jahren in grösseren Mengen produziert werden könne und bei der Migros im Supermarkt erhältlich sein werde, so Schlatter. Neben der Migros haben sich auch andere Unternehmen wie Mirai Foods zum Ziel gesetzt, kultiviertes Fleisch zu fairen Preisen anbieten zu können.

Auch Ammann betont: «Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es ein Umdenken in der Ernährung und damit auch eine Reduktion des Fleischkonsums.» Es sei aber wenig realistisch, davon auszugehen, dass in Zukunft alle vegetarisch oder vegan leben würden. Hier biete die Produktion von kultiviertem Fleisch eine Alternative.

Welche sonstigen Vorteile gibt es? Bei der Qualität der Produkte und der Herstellung erklärt Ammann. «Beispielsweise hat man die Antibiotika-Problematik nicht und die Herstellung ist deutlich einfacher skalierbar als die Tierhaltung.» Wird ein Tier ausserdem geschlachtet, entstehen Abfallprodukte. Beim In-vitro-Fleisch ist dies anders.

Gibt es auch Nachteile? Ammann, die auch einen Hintergrund in der Ekelforschung hat, sieht vor allem in der Akzeptanz der Konsumentinnen und Konsumenten ein Risiko. «Neue Technologien können sehr viel Potenzial haben, aber wenn sie nicht akzeptiert werden, kann das deren Etablierung stark verzögern.» Dies sehe man beispielsweise bei der Gentechnologie.

Audio
Archiv: Fleisch aus dem Labor – ein Milliardengeschäft?
aus Trend vom 09.03.2022. Bild: Imago
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Zudem heisst es aus verschiedenen Quellen, dass kultiviertes Fleisch noch sehr teuer sei. Ammann führt aus: «Die grösste Hürde ist aktuell der Preis, dicht gefolgt von der Konsumentenakzeptanz.» Das kultivierte Fleisch müsse erschwinglich sein, um es in den Detailhandel zu schaffen. Ammann ist aber «zuversichtlich, dass in diesem Bereich aktuell viel Innovation passiert». Dass das Produkt in ein paar Jahren oder vielleicht sogar in einigen Monaten in den Regalen der Einzelhändlerinnen und Einzelhändler steht, schliesst die Expertin für nachhaltige Ernährung nicht aus.

SRF 4 News, 22.06.2023, 08:30 Uhr

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