Es ist noch nicht lange her, da war nachhaltiges Investieren (englisch: ESG) bei institutionellen Investoren ein Lippenbekenntnis, kaum mehr als eine PR-Massnahme und im besten Fall eine Nische.
Doch inzwischen hat der Wind gedreht. Der Klimawandel spielt dabei eine entscheidende Rolle. Aber nicht die einzige.
Was ist ESG?
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ESG steht für die drei englischen Begriffe Environment, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Es handelt sich um die drei Pfeiler, die ein Unternehmen in seinem täglichen Handeln bestmöglich beachten sollte und an denen es immer stärker auch von der Finanzbranche gemessen wird.
Da es sich teilweise um weiche Faktoren handelt, die schwer messbar sind, ist es für Investoren nicht trivial, diese Kriterien in ihre Anlageentscheide einzubauen. Immerhin: Klimarisiken sind messbar.
Deshalb will das Financial Stability Board im Rahmen seiner Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) einen einheitlichen Standard entwickeln, nach dem Unternehmen über ihre Klimarisiken informieren sollen.
Das Board wurde nach der Finanzkrise von der G20 eingesetzt, um globale Finanzrisiken zu überwachen.
Publica, BVK und AHV-Fonds als Trendsetter
Denn neben der Umwelt sind auch die Themen Soziales und Unternehmensführung Bereiche, die potenziell Risiken für den Börsenkurs bergen, wenn Unternehmen sie zu wenig gut oder gar nicht beachten.
Deshalb findet ESG nun verstärkt Eingang in die Anlageentscheide der Finanzbranche. Nicht aus altruistischen Gründen. Sondern aus Risikoüberlegungen.
Treiber dieser Entwicklung sind Versicherungen. Sie entscheiden jeden Tag, welche Risiken sie versichern und zu welchem Preis. ESG-Risiken gehören dazu.
Fünf Fragen an Guido Fürer, Anlagechef Swiss Re
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SRF: Swiss Re investiert seit einem Jahr nach ESG-Kriterien. Ein PR-Gag?
Guido Fürer: Das ist ein Riesenentscheid, einer der wichtigsten, die wir gefällt haben in unserem Unternehmen und sicher kein PR-Gag.
Das hätten Sie schon vor zehn Jahren machen können. Warum jetzt?
Die Datenbasis ist wesentlich besser als vor zehn Jahren. Wir sind zum Schluss gekommen, wenn wir ESG nicht nur als Thema involvieren, sondern richtig integrieren in den Anlageprozess, dann haben wir ein besseres Portfolio.
Besser heisst weniger Risiko. Und die Rendite?
Richtig, wir haben ein qualitativ besseres Portfolio, d.h. es ist weniger volatil, vor allem in schwierigen Finanzmärkten. Und wir haben, das ist die Überraschung, gleiche bis bessere Renditen je nach Anlageklasse. Das ist das Resultat, das uns einmal mehr bestätigt: ESG macht ökonomisch Sinn.
Die Versicherungsbranche ist Treiber dieser ESG-Entwicklung. Warum?
Swiss Re ist insbesondere der weltweit grösste Lebens-Rückversicherer, d.h. wir haben Verpflichtungen über 60 oder sogar 70 Jahre in unserem Portfolio. Wenn Sie solche Engagements eingehen, müssen Sie auf der Anlageseite entsprechend langfristig agieren. Es ist für uns wichtig, Trends zu erkennen, das ist für Versicherungsrisiken wichtig und genauso für Finanzmarktrisiken. Und in diesem Zusammenhang interessieren uns nicht nur makroökonomische oder politische Faktoren, sondern eben auch das Thema Nachhaltigkeit.
Und gleichzeitig retten Sie das Klima langfristig?
Es gibt Berechnungen, die sagen, dass es zwei Billionen Dollar Finanzierungsgelder in neue Technologien pro Jahr braucht, um die Klimaerwärmung unter zwei Grad zu halten. Wenn Sie das in den Kontext stellen, dass von Versicherungen derzeit langfristige Gelder im Umfang von 30 Billionen Dollar weltweit verwaltet werden und dann noch Pensionskassen und Staatsfonds addieren, kommen Sie auf rund 80 Billionen Dollar. Wenn sich diese 80 Billionen an ESG-Kriterien orientieren, erscheint das Zwei-Grad-Ziel doch plötzlich machbar.
Eine ECO-Umfrage zeigt beeindruckende Zahlen: Von den angefragten Versicherungen setzen Allianz und Swiss Re bis jetzt den ESG-Ansatz am konsequentesten um (siehe unten: «Soviel Milliarden werden ESG-konform verwaltet»).
Beide Unternehmen managen ihre Anlagegelder zu 100 Prozent nach ESG-Kriterien. Beim weltgrössten Rückversicherer Swiss Re sind es rund 130 Milliarden Franken, beim deutschen Versicherer Allianz gar 750 Milliarden Franken.
Auch grosse Schweizer Pensionskassen gehören zu den Trendsetters: Die Pensionskassen des Bundes und des Kantons Zürich sowie der AHV-Fonds haben das Thema ESG in ihre Risikoanalyse zumindest für Teile des Vermögens integriert.
Regulatoren machen Druck
Doch warum nimmt das Thema plötzlich Fahrt auf? Aus drei Gründen: Viele Regulatoren treiben ESG international voran.
So müssen beispielsweise Pensionskassen in Grossbritannien ab Oktober 2019 begründen, warum sie ESG bei ihren Anlagekriterien nicht berücksichtigen.
In Frankreich müssen Vermögensverwalter seit 2016 ESG- und Klimaberichte ihrer Anlagen ausweisen.
In der Schweiz gibt es solche Vorgaben für die Finanzbranche bisher noch nicht. Dafür wurde auf Ebene der G20, der 20 grössten Industrieländer, die Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD) gegründet.
Sie will einheitliche Standards schaffen, nach denen Unternehmen weltweit über ihre Klimarisiken informieren.
Klimaretter im Nebenjob
Zweitens sind inzwischen grössere Datenmengen verfügbar über Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit. Und drittens: Computerprogramme, die in der Lage sind, all diese Daten auf ESG-Risiken zu analysieren, zu bewerten und dabei auch die Kosten im Griff zu behalten.
Guido Fürer, Swiss Re-Anlagechef, ist nach einem Jahr mit dem Ergebnis zufrieden (siehe Interview). Das Gesamtrisiko im Portfolio sei gesunken und die Rendite sogar leicht höher als ohne ESG. Und das Klima wird nebenbei auch noch gerettet. Klingt nach einem guten Deal.
Soviel Milliarden werden ESG-konform verwaltet
Name
Anlagevermögen gemäss ESG-Kriterien in Franken
Anteil am gesamten Anlagevermögen
Pensionskasse
Compenswiss (AHV-Fonds)
14 Milliarden
40 %
Publica (Pensionskasse des Bundes)
28,5 Milliarden
75 %
BVK (Pensionskasse des Kantons Zürich)
30 Milliarden
91 %
Versicherungen
Zurich
100 Milliarden
50 %
Swiss Re
130 Milliarden
100 %
Axa
550 Milliarden
85 %
Allianz
750 Milliarden
100 %
Vermögensverwalter
Blackrock
500 Milliarden
8 %
Vanguard
7 Milliarden
0,1 %
Die Pensionskassen von Post, SBB und Swisscom gaben keine Auskunft.
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