Was sind geprüfte Bilanzen und Jahresrechnungen wert, wenn Fälle wie jener bei Postauto möglich sind? Das dürften sich viele Aussenstehende fragen.
Geschäftsleitung und Verwaltungsrat hätten es merken müssen. Aber vermutlich auch die Revisionsgesellschaft KPMG. Sie prüft seit 1998 die Bücher der Post. KPMG erhielt im vergangenen Jahr dafür 4 Mio. Franken an Honoraren; 2011 waren es noch 2,4 Mio. Franken.
Andere Konzerne zahlen noch viel mehr. Prüfung und Beratung ist ein lohnendes Geschäft. Die neunzehn Konzerne im Swiss Market Index zahlten im vergangenen Jahr 450 Millionen Franken an die vier grossen Revisionsgesellschaften Deloitte, PWC, EY und KPMG.
Eine Nähe, die nicht geht.
Heikel: In vielen Fällen prüfen die Revisionsgesellschaften nicht nur, sondern sie beraten ihre Kunden auch. Sie haben zwei Hüte auf.
Für Corporate-Governance-Expertin Monika Roth ist klar: Hier gibt es einen Interessenskonflikt. «Sie können nicht objektiv jemanden kontrollieren, den sie auch beraten», sagt sie. Das erzeuge eine Nähe, die nicht gehe.
Sie fordert, dass Revisionsfirmen bei ihren Kunden jeweils nur eine Aufgabe erfüllen dürften: entweder jene des Kontrolleurs oder jene des Beraters.
Zweites Problem aus Sicht von Monika Roth: Unternehmen mandatieren ihre Revisionsgellschaften sehr oft über Jahrzehnte.
Wie die Tabelle zeigt, hat etwa die Zürich Versicherung seit 35 Jahren dieselbe Revisionsgesellschaft (PWC). Swiss Re, Swatch und ABB vergeben ihre externe Buchprüfung seit mehr als 20 Jahren an dieselben Unternehmen.
Zwar muss in der Schweiz der leitende Revisor nach 7 Jahren wechseln, nicht aber die Prüfgesellschaft. Im Gegensatz dazu gilt in der Europäischen Union eine zeitliche Beschränkung von 10 Jahren für Prüfmandate.
Im Zusammenhang mit dem Postauto-Skandal steht KPMG im Fokus. Im Untersuchungsbericht wurde die Revisionsfirma scharf kritisiert. Unter anderem ist zu lesen: «Insbesondere die Lizenzgebühren qualifizieren offensichtlich als verdeckte Gewinnausschüttung. Dieser Sachverhalt wurde, soweit ersichtlich, von KPMG nicht näher thematisiert.»
Das heisst: Postauto hat unter dem Aufwandposten «Lizenzgebühren» die erschlichenen Subventionen aufgeführt, die an die Post geflossen sind.
Zugespitzt formuliert hat KPMG also wider besseres Wissen weggeschaut. Im Interview mit «ECO» weist der CEO von KPMG Schweiz diesen Vorwurf zurück (s. Box).
Die eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde RAB hat eine Untersuchung gestartet, wie die Behörde gegenüber «ECO» bestätigt. «Im Fall von KPMG gab es ja eine Veröffentlichung im Februar des Bundesamtes für Verkehr, dass es dort Probleme geben könnte», sagt Frank Schneider, Direktor der RAB. «Das haben wir als Anlass genommen, Abklärungen zu initiieren.»
Und was den Fokus der Untersuchung angeht, sagt Schneider: «Wir schauen, ob die Prüfer kritisch genug waren.»
Deliktische Handlungen passieren leider öfters, als man glaubt.
Frank Schneider sagt, die Vorfälle bei Postauto hätten ihn überrascht, wenn auch nicht schockiert: «Deliktische Handlungen passieren leider öfters, als man glaubt. Aber oft ist es so, dass die Unternehmen das nicht veröffentlichen, sondern dass man Einigungen sucht.»