Zum Inhalt springen

Negativzinsen Gemeinden mit guter Bonität verdienen Geld mit Schulden

Wer hat, dem wird gern gegeben: Von den anhaltenden Negativzinsen profitieren auch viele Gemeinden mit guter Bonität.

Wer einen Kredit will, muss normalerweise Zinsen dafür zahlen. Doch seit einigen Jahren leben wir in einer verkehrten Welt: Wer Schulden macht, kann damit Geld verdienen – wer hingegen Geld auf dem Konto herumliegen lässt, muss ab einem bestimmten Betrag Negativzinsen zahlen. Die Negativzinsen sind für Sparer und Sparerinnen ein Ärgernis – für andere ein Segen.

Ein Segen sind sie zumindest für jene Gemeinden, Städte und Kantone, von denen Geldgeber annehmen, dass sie Kredite auch zurückzahlen können. Bonität oder Rating heisst das im Fachjargon.

Bedingung: gute Bonität

Wer eine gute Bonität habe, verdiene heute mit Schulden Geld, sagt Andi Burri, Co-Gründer der Kredit-Vermittlungsplattform Loanboox, die seit vier Jahren am Markt ist: «Gemeinden mit guter Bonität haben in den letzten vier Jahren einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag mit Negativzinsen verdient.»

Gemeinden mit guter Bonität haben Millionenbeträge mit Negativzinsen verdient.
Autor: Andi Burri Co-Gründer Kredit-Vermittlungsplattform Loanboox

Die Geldgeber bezahlen also etwas dafür, dass sie Geld vorübergehend an einem sicheren Ort deponieren können, und das zu wohl tieferen Kosten als bei einer Bank.

Loanboox: Zürcher Gemeinden vorn

Auf Loanboox treffen sich Gemeinden, Städte und Kantone, die Geld brauchen, mit jenen, die Geld haben. Also Versicherungen, Pensionskassen, Banken und andere grosse Investoren. Die Hälfte aller öffentlichen Gemeinwesen der Schweiz sind bei diesem Kreditvermittler dabei.

Deshalb weiss Andi Burri, wer bis jetzt am meisten profitiert hat: «Gemäss unseren Informationen haben die Gemeinden im Kanton Zürich am meisten mit Negativzinsen verdient, und zwar 4.2 Millionen Franken, seit wir aktiv sind.»

Schuldenmachen als Rezept?

Noch viel mehr Geld mit Negativzinsen hat der Bund verdient. Rund 100 Millionen Franken waren es allein im Corona-Jahr 2020. Dieses Jahr werde der Betrag nochmals steigen, heisst es im Finanzdepartement. Ist Schuldenmachen also das Rezept für die öffentliche Hand, um Einnahmen zu generieren?

Nein, sagt Experte Burri, weil: «Man muss sie ja wieder zurückzahlen. Wer aber mit grösseren Beträgen oder auch häufiger am Markt ist, bekommt mit der Zeit besseren Zinsen, weil er bekannter ist.»

Wer also häufig Geld aufnimmt und für eher kurze Laufzeiten, profitiert am stärksten von Negativzinsen. Und was, wenn die Zinsen irgendwann wieder steigen und damit auch die Negativzinsen verschwinden? Dann sind alle jene besser dran, die tiefe Schulden haben.

HeuteMorgen, 31.05.2021, 07:00 Uhr

Meistgelesene Artikel