Auch Unternehmer Peter Spuhler erschrak, als US-Präsident Donald Trump am 1. August Zölle in der Höhe von 39 Prozent über die Schweiz verhängte: Dass die Schweiz so abgestraft wurde, habe er nicht erwartet.
SRF News: War die Schweiz blauäugig?
Peter Spuhler: Ich glaube nicht. Die Verhandlungsdelegation mit den Bundesräten Karin Keller-Sutter, Guy Parmelin und Seco-Chefin Helene Budliger Artieda hat einen guten Job gemacht. Dass Trump einen schlechten Tag hatte, war nicht voraussehbar. Dass man jetzt auf allen Kanälen versucht, «die Kuh vom Eis zu bekommen», ist der richtige Weg. Die Politik soll ihren Teil machen, die Wirtschaft den ihrigen. Ich verstehe die Kritik nicht, dass die Wirtschaft eingeschaltet wird: Jetzt geht es um einen Schulterschluss, um die 39 Prozent Zoll wegzukriegen.
Statuiert die USA ein Exempel an der Schweiz?
Es sieht so aus. Die Amerikaner haben uns schon ein paar Mal an den Pranger gestellt – ich denke an die nachrichtenlosen Vermögen, ich denke ans Bankkundengeheimnis. Wir sind ein erfolgreiches, kleines Land, an dem man schnell ein Exempel statuieren und den anderen zeigen kann: Passt auf, sonst geht es euch wie der Schweiz.
Stadler Rail hat ein Werk im US-Bundesstaat Utah mit 600 Angestellten: Bauen Sie jetzt aus und investieren 70 oder 100 Millionen, sodass das zum Schweizer Investitionspaket gezählt werden könnte?
Wir unterliegen dem öffentlichen Beschaffungswesen. Es ist schon seit Jahrzehnten so, dass sich die Amerikaner auch in diesem Bereich nicht an die Beschaffungsregeln der Welthandelsorganisation WTO halten. Wir müssen heute schon mindestens 70 Prozent lokalen Fertigungsanteil erbringen. Jetzt bauen wir das Werk weiter aus und werden bei 80 Prozent oder mehr Fertigungsanteil landen.
Donald Trump will Industriejobs in die USA zurückholen. Findet Stadler Rail Mitarbeiter?
Das ist ein Problem. Da wir eine hohe Fluktuation hatten, haben wir angefangen, Lehrlinge nach Schweizer Vorbild auszubilden. Zurzeit haben wir 26 Lehrlinge. Das hat zu besser ausgebildeten Mitarbeitern und mehr Loyalität geführt.
Die Schweizer Industrie ist weltweit der Nischenplayer, gerade im Spezialmaschinenbau.
Soll die Schweiz am Kauf der F-35-Kampfflugzeuge festhalten?
Unbedingt.
Laut einer Umfrage wollen sich drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer nicht unter Druck setzen lassen von den USA: Wie sehen Sie das?
Das verstehe ich. Einen Kniefall zu machen und einen Deal abzuschliessen, welcher der Schweiz schadet, das ist zu verneinen. Wichtig wäre, dass in den betroffenen Bereichen der Industrie die Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate verlängert wird, damit man Know-how und Erfahrung der Mitarbeiter in den Firmen behalten kann.
Droht der Schweizer Industrie der Rückzug in die Nische?
Die Schweizer Industrie ist weltweit der Nischenplayer, gerade im Spezialmaschinenbau. Wir sind nicht dort gut, wo man riesige Stückzahlen herstellt. Wir müssen uns permanent neu erfinden.
Wird Europa noch wichtiger?
Ich habe schon als Nationalrat für den bilateralen Weg gekämpft, auch wenn Partei oder Fraktion anderer Meinung waren. Bei den Bilateralen III weiss ich noch nicht, wie ich abstimme: Die Frage ist, was wir an Souveränität und an direktdemokratischen Instrumenten verlieren – und wie man den wirtschaftspolitischen Teil beurteilt. Ich sage wirtschaftspolitisch ja, staatspolitisch eher nein.
Was soll die Schweiz machen?
Die Schweiz hat schon verschiedene solche Situationen erlebt und ist nicht untergegangen. Jetzt müssen wir den Gürtel enger schnallen und kämpfen.
Das Gespräch führte Reto Lipp.