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Peter Spuhler über US-Zölle «Wir müssen den Gürtel enger schnallen und kämpfen»

Auch Unternehmer Peter Spuhler erschrak, als US-Präsident Donald Trump am 1. August Zölle in der Höhe von 39 Prozent über die Schweiz verhängte: Dass die Schweiz so abgestraft wurde, habe er nicht erwartet.

Peter Spuhler

Verwaltungsratspräsident Stadler Rail

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Der 66-jährige Peter Spuhler übernahm 1987 bei der damaligen Stadler Fahrzeuge in Bussnang eine Führungsposition. Zwei Jahre später kaufte er die Firma, die zu jener Zeit 18 Mitarbeiter und einen Umsatz von 4.5 Millionen Franken hatte. Heute ist Stadler Rail ein globaler Schienenfahrzeug-Hersteller mit über 15'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Umsatz von über 3.3 Milliarden Franken. Von 1999 bis 2012 sass Peter Spuhler für die SVP Thurgau im Nationalrat. Er ist Vize-Präsident des Eishockey-Clubs ZSC Lions.

SRF News: War die Schweiz blauäugig?

Peter Spuhler: Ich glaube nicht. Die Verhandlungsdelegation mit den Bundesräten Karin Keller-Sutter, Guy Parmelin und Seco-Chefin Helene Budliger Artieda hat einen guten Job gemacht. Dass Trump einen schlechten Tag hatte, war nicht voraussehbar. Dass man jetzt auf allen Kanälen versucht, «die Kuh vom Eis zu bekommen», ist der richtige Weg. Die Politik soll ihren Teil machen, die Wirtschaft den ihrigen. Ich verstehe die Kritik nicht, dass die Wirtschaft eingeschaltet wird: Jetzt geht es um einen Schulterschluss, um die 39 Prozent Zoll wegzukriegen.

Peter Spuhlers Beteiligungen

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Über die PCS Holding, die zu hundert Prozent in seinem Besitz ist, hält Peter Spuhler Beteiligungen an verschiedenen Firmen. Die wichtigsten sind:

Stadler Rail: Stadler Rail ist das Unternehmen, mit dem Peter Spuhler schweizweit bekannt wurde. Heute gehört ihm am Schienenfahrzeughersteller, der unter anderem Highspeed- und Intercity-Züge, S- und U-Bahnen sowie Trams baut, ein Anteil von 42 Prozent. Wichtigster Absatzmarkt von Stadler Rail ist Europa. Die USA machen weniger als fünf Prozent des Umsatzes aus. Der Grossteil der Züge wird vor Ort produziert – ein Vorteil im aktuellen Zoll-Umfeld.

Aebi Schmidt: Beim Unternehmen für Spezialfahrzeuge und Landmaschinen ist Peter Spuhler mit einem Anteil von 35 Prozent Hauptaktionär und Verwaltungsratspräsident. Nach der Fusion mit einem amerikanischen Konkurrenten ist Aebi Schmidt seit Juli an der US-Börse Nasdaq kotiert. Im ersten Halbjahr erzielte das Unternehmen mit 3000 Mitarbeitenden einen Umsatz von rund einer Milliarde Dollar. Das Nordamerika-Geschäft war zuletzt leicht rückläufig, ist aber zentral: Durch Zukäufe und Vor-Ort-Produktionen kann Aebi Schmidt US-Zölle fast komplett umgehen.

Rieter: Beim Winterthurer Textilmaschinenhersteller sitzt Peter Spuhler seit 2009 im Verwaltungsrat. Er hält 11.5 Prozent der Aktien ((33%)). Rieter zählt 4800 Angestellte. Aktienkurs, Umsatz und Gewinn brachen zuletzt ein. Im 19. Jahrhundert spezialisierte sich Rieter auf die Herstellung von Spinnereimaschinen und die dazugehörigen Antriebe und Kraftübertragungssysteme. Heute ist Rieter der führende Anbieter von Systemen zur Herstellung von Garn aus sogenannten Stapelfasern in Spinnereien.

Autoneum: Autoneum ist ein Zulieferer der Automobilindustrie. Das weltweit tätige Unternehmen mit Sitz in Winterthur erzielte mit 15'000 Mitarbeitenden zuletzt einen Umsatz von 2.3 Milliarden Franken. 10.4 Prozent ((16%)) der Aktien sind im Besitz von Peter Spuhler. Die Spezialität von Autoneum sind Komponenten für Lärm- und Hitzeschutz für Fahrzeuge.

Swiss Steel: Seine Anteile am kriselnden Stahlhersteller Swiss Steel hat Peter Spuhler abgegeben.

Statuiert die USA ein Exempel an der Schweiz?

Es sieht so aus. Die Amerikaner haben uns schon ein paar Mal an den Pranger gestellt – ich denke an die nachrichtenlosen Vermögen, ich denke ans Bankkundengeheimnis. Wir sind ein erfolgreiches, kleines Land, an dem man schnell ein Exempel statuieren und den anderen zeigen kann: Passt auf, sonst geht es euch wie der Schweiz.

Stadler Rail hat ein Werk im US-Bundesstaat Utah mit 600 Angestellten: Bauen Sie jetzt aus und investieren 70 oder 100 Millionen, sodass das zum Schweizer Investitionspaket gezählt werden könnte?

Wir unterliegen dem öffentlichen Beschaffungswesen. Es ist schon seit Jahrzehnten so, dass sich die Amerikaner auch in diesem Bereich nicht an die Beschaffungsregeln der Welthandelsorganisation WTO halten. Wir müssen heute schon mindestens 70 Prozent lokalen Fertigungsanteil erbringen. Jetzt bauen wir das Werk weiter aus und werden bei 80 Prozent oder mehr Fertigungsanteil landen.

Donald Trump will Industriejobs in die USA zurückholen. Findet Stadler Rail Mitarbeiter?

Das ist ein Problem. Da wir eine hohe Fluktuation hatten, haben wir angefangen, Lehrlinge nach Schweizer Vorbild auszubilden. Zurzeit haben wir 26 Lehrlinge. Das hat zu besser ausgebildeten Mitarbeitern und mehr Loyalität geführt.

Die Schweizer Industrie ist weltweit der Nischenplayer, gerade im Spezialmaschinenbau.

Soll die Schweiz am Kauf der F-35-Kampfflugzeuge festhalten?

Unbedingt.

Laut einer Umfrage wollen sich drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer nicht unter Druck setzen lassen von den USA: Wie sehen Sie das?

Das verstehe ich. Einen Kniefall zu machen und einen Deal abzuschliessen, welcher der Schweiz schadet, das ist zu verneinen. Wichtig wäre, dass in den betroffenen Bereichen der Industrie die Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate verlängert wird, damit man Know-how und Erfahrung der Mitarbeiter in den Firmen behalten kann.

Droht der Schweizer Industrie der Rückzug in die Nische?

Die Schweizer Industrie ist weltweit der Nischenplayer, gerade im Spezial­maschinenbau. Wir sind nicht dort gut, wo man riesige Stückzahlen herstellt. Wir müssen uns permanent neu erfinden.

Wird Europa noch wichtiger?

Ich habe schon als Nationalrat für den bilateralen Weg gekämpft, auch wenn Partei oder Fraktion anderer Meinung waren. Bei den Bilateralen III weiss ich noch nicht, wie ich abstimme: Die Frage ist, was wir an Souveränität und an direktdemokratischen Instrumenten verlieren – und wie man den wirtschaftspolitischen Teil beurteilt. Ich sage wirtschaftspolitisch ja, staatspolitisch eher nein.

Was soll die Schweiz machen?

Die Schweiz hat schon verschiedene solche Situationen erlebt und ist nicht untergegangen. Jetzt müssen wir den Gürtel enger schnallen und kämpfen.

Das Gespräch führte Reto Lipp.

ECO-Talk, 18.8.2025, 22:25 Uhr ; 

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