Die Schweizerische Nationalbank rüttelt nicht an den Negativzinsen. Und das werde auch noch lange so bleiben, erklärt SNB-Präsident Thomas Jordan im Interview. Kritisch äussert er sich zu einem möglichen Einstieg der Postfinance in den Hypothekenmarkt.
Herr Jordan, wie beurteilen Sie die Entwicklung auf dem Schweizer Immobilienmarkt?
Thomas Jordan: Wir können den Immobilienmarkt in verschiedene Segmente einteilen. Ein Segment sind die sogenannten Renditeliegenschaften. Das sind Mehrfamilienhäuser, bei denen die Wohnungen für Renditezwecke vermietet werden. Dort haben wir in den letzten Jahren einen sehr starken Anstieg bei den Preisen gesehen, und wir sehen jetzt auch eine sehr grosse Bautätigkeit in diesem Segment. Es kommen also sehr viele neue Häuser und neue Wohnungen auf den Markt. Zudem ist auch die Leerstandsquote gestiegen. Das deutet alles darauf hin, dass in diesem Segment gewisse Risiken vorhanden sind und es nicht ausgeschlossen ist, dass es zu Preiskorrekturen kommen kann.
Wie sieht es für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser aus?
Generell haben wir bei den Hypotheken eine Beruhigung. Das Wachstum ist nicht mehr so hoch, noch etwa drei Prozent. Wir sehen bei den Einfamilienhäusern und bei den Eigentumswohnungen moderate Preisentwicklungen. Auch hier gibt es bestimmte Ungleichgewichte, aber die Dynamik ist nicht sonderlich anders, als in den letzten Jahren.
Wenn nun ein neuer, grosser Player wie die Postfinance in den Hypothekenmarkt eintreten würde, so wie es der Bundesrat vorschlägt: Wie würde sich das auswirken?
Wir sind ja in einer Situation, in der wir genügend Versorgung mit Hypotheken haben. Gleichzeitig haben wir ein hohes Preisniveau bei den Immobilien. Das heisst, ein Eintritt einer grossen Bank muss sehr vorsichtig erfolgen, so dass die Risiken bezüglich der Finanzstabilität nicht unnötig erhöht werden.
Wie beurteilen Sie die Lage der Schweizer Wirtschaft?
Sie ist eigentlich ziemlich gut. Wir haben ein sehr starkes Wachstum im ersten Halbjahr 2018 gesehen. Allerdings ist dieses etwas überzogen, weil wir sehr grosse Einnahmen hatten bei den internationalen Sportverbänden aufgrund von grossen internationalen Events. Jetzt gehen wir von einer Beruhigung für das zweite Halbjahr 2018 aus.
Und wie lange müssen wir noch mit Negativzinsen leben?
Die bleiben sicher noch eine Zeit lang, denn sie sind notwendig. Wir haben einen starken Franken, und wir benötigen die Negativzinsen, um unsere expansive Geldpolitik fortzuführen. Wir haben keine Risiken einer Überhitzung, und bei der Inflation gibt es keinen Anstieg – das sieht man auch, wenn man unsere Prognose anschaut. Es ist zudem wichtig, dass wir nicht zu früh restriktiv werden, um die gute Entwicklung der Schweizer Wirtschaft weiterhin zu unterstützen.
International gibt es die Tendenz zu leichten Zinserhöhungen. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Geldpolitik?
Grundsätzlich ist eine Normalisierung der Geldpolitik in den grossen Regionen Amerika, Europa und Japan positiv, auch für uns. Das zeigt, dass die Weltwirtschat in einer guten Verfassung ist. Und eine Normalisierung der Geldpolitik würde natürlich in der langen Frist auch die geldpolitischen Möglichkeiten für die Schweizerische Nationalbank ausweiten.
Die Schwellenländer und deren Währungen kriseln. Welchen Einfluss sehen Sie auf den Schweizer Franken?
Die Krisen in der Türkei oder Argentinien wirkten sich sofort auf die internationalen Finanzmärkte aus. Das war mit ein Grund, dass der Franken wieder in den Vordergrund als sicherer Hafen gerückt ist. Bis jetzt sind die Auswirkungen dieser Vertrauenskrisen auf die internationale Konjunktur limitiert. Aber wir als Schweiz spüren das natürlich über die internationalen Finanzmärkte.
Welchen Einfluss hat der Handelsstreit zwischen den USA und den anderen Ländern auf das Wachstum?
Das ist für die Schweiz keine gute Sache. Wir sind eine kleine, offene Volkswirtschaft. Wir leben von der Möglichkeit zu exportieren. Es ist wichtig, dass wir offene Märkte haben und der Handelsstreit gelöst werden kann.
Das Gespräch führte Daniel Daester.