Bei Müller gab es Bioprodukte, Naturarzneimittel und Produkte für Menschen mit Unverträglichkeiten. Einer der Zulieferer, die vom Aus der Kette betroffen sind, ist die Bäckerei Jovi's aus Bern, die glutenfreies Brot herstellt. Für sie waren die Reformhäuser Müller bisher ein wichtiger Verkaufskanal.
Auf einmal fehlten 17 Verkaufsstellen
Jovana Beslac hat die Bäckerei für glutenfreie Backwaren vor bald drei Jahren gegründet, weil sie unter Zöliakie leidet, also Glutenunverträglichkeit.
Die Nachfrage war von Anfang an gross, erklärt die 28-jährige Betriebswirtschafterin. Die Bäckerei konnte bald auch andere Läden beliefern, darunter 17 Filialen des Reformhauses Müller. Sie waren gerade im Gespräch für zwei weitere Filialen, als das Reformhaus in Konkurs ging. Das kam unerwartet, sagt Jovana Beslac.
«Es war ein Schock», sagt Beslac heute. Auf einen Schlag hätten 25 Prozent des Umsatzes gefehlt. Zudem standen rund 40'000 Franken aus nicht bezahlten Rechnungen offen – viel Geld für ein junges Unternehmen. Nur weil die Mitbesitzer der Bäckerei weiteres Geld investierten, ging sie nicht in Konkurs.
Ans Aufgeben dachte Jovana Beslac aber nie. Für sie war klar, dass sie jetzt einfach neue Absatzkanäle für die glutenfreien Brötchen, «Chäschüechli», Erdbeertörtchen und anderen Backwaren finden musste.
50 Prozent Absatzverlust beim Biotee
Kein einfaches Vorhaben. Denn Bioläden, die eigentlich für eine Zusammenarbeit prädestiniert wären, wollten oft nicht mit ihnen zusammen arbeiten, sagt Jovana Beslac. Die Bäckerei könne sich nämlich nicht mit dem Bio-Label zertifizieren lassen, weil nicht alle glutenfreien Rohstoffe für die Backwaren in Bioqualität erhältlich seien.
Die Regale sind voll. Auf uns hat niemand gewartet.
Nicht nur die Bäckerei aus Bern – auch andere ehemalige Zulieferer der Reformhäuser Müller haben von einem Tag auf den anderen einen wichtigen Verkaufskanal verloren. So etwa das Familienunternehmen Ebi-Pharm aus Kirchlindach im Kanton Bern. Es ist auf Komplementärmedizin spezialisiert, vertreibt aber auch weitere Gesundheitsprodukte, die sie unter anderem in den Reformhäusern verkauften.
«Für uns war das ein Schlag, auch wenn der Wegfall der Müller-Kette uns nicht in unserer Existenz bedroht hat», sagt Stefan Binz, Geschäftsführer des kleinen Unternehmens. Unter dem Strich habe Ebi-Pharm lediglich 1.5 Prozent Umsatz verloren. Aber einzelne Produkte seien stark betroffen. Etwa Biokosmetikprodukte mit 10 Prozent Umsatzeinbusse. Oder Biotees mit 50 Prozent Umsatzverlust.
Neue Absatzkanäle zu finden, gestalte sich schwierig, sagt Stefan Binz. «Die Regale sind grundsätzlich voll. Man hat nicht auf uns gewartet.»
Umsatzverlagerungen zu den Grossverteilern
Ein Problem sei auch, dass heute die grossen Detailhändler wie etwa Migros und Coop ein sehr breites Angebot an Bioprodukten oder Naturkosmetik in den Regalen hätten und viele Leute statt in Fachgeschäften dort einkauften. Das sagt auch Thomas Rudolph, Professor für Handelsmanagement von der Universität St. Gallen. «Es findet eine Verlagerung hin zu den Grossverteilern statt.»
Der Wettbewerbsdruck habe zugenommen, sagt Thomas Rudolph. Gerade im aktuell unsicheren wirtschaftlichen Umfeld, in dem die Leute eher auf den Preis schauten. Entsprechend verschwinden immer wieder Fachgeschäfte für Bio- und Naturprodukte, so wie das Reformhaus Müller. Und das spüren dann auch die Zulieferer.