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Regulierungen im Goldmarkt Dreckiges Gold gelangt trotz Zertifikaten in die Schweiz

Bis 2018 gelangte Gold aus einer umstrittenen Mine in Äthiopien zur Verarbeitung in eine Raffinerie im Tessin. Diese wusste nichts von den Problemen.

Lega Dembi ist die grösste Goldmine Äthiopiens. Betrieben wird sie von der Midroc Investment Group, einem wirtschaftlichen Schwergewicht im Land. Doch bei der Mine gab es immer wieder Probleme mit dem Umweltschutz. Schwermetalle verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden, erklärt Juliane Kippenberg von Human Rights Watch.

So sei eine Studie der Universität in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba zum Schluss gekommen, dass es in der Umgebung der Mine einen erhöhten Gehalt von Arsen, Cyanid und Chrom gibt. «Eine äthiopische Gesundheitsbehörde hat zudem herausgefunden, dass Gemeinschaften, die in der Nähe der Mine leben, massiven Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind.»

Untersuchungen unter Verschluss

Aufgrund dieser Untersuchungen und von Protesten der Bevölkerung habe 2018 die damalige äthiopische Regierung die Mine geschlossen. Die Untersuchungen selbst blieben aber unter Verschluss. «Die Ergebnisse, dass es diese Umweltschäden und gravierende Gesundheitsrisiken gibt, für die die Bergbaufirma verantwortlich ist, sind nicht öffentlich gemacht worden», sagt Kippenberg.

Die Schweizer Raffinerie Argor-Heraeus bezog bis 2018 Gold aus dieser Mine. Das bestätigt das Unternehmen auf Anfrage von Radio SRF in einer schriftlichen Stellungnahme. Von den Problemen habe es damals nichts gewusst.

Die Stellungnahme von Argor-Heraeus

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Goldbarren im Lager der Goldverarbeitungsfirma Argor-Heraeus in Mendrisio/TI (Archiv)
Legende: Goldbarren im Lager der Goldverarbeitungsfirma Argor-Heraeus in Mendrisio/TI (Archiv) Keystone/Karl Mathis

«Wir haben im Mai 2018 die Zusammenarbeit mit Midroc unverzüglich eingestellt, als wir von der Situation erfahren haben», teilt das Unternehmen mit. Man habe auch erst durch die NGO Einblicke in die Untersuchungen von damals erhalten. Argor Heraeus habe sich an alle damals geltenden Regeln der OECD oder der London Bullion Market Association, der internationalen Regulierungsstelle der Branche, gehalten. Auch hätten Auswertungen von Medienberichten und ein Austausch mit NGOs damals keine Hinweise auf die Zustände vor Ort gegeben. «Wir haben diesen Fall daher zum Anlass genommen, unsere internen Prozesse erneut zu überprüfen, unsere Systeme aufzurüsten und weitere Prüfstellen eingeführt.»

Dieser Fall zeige, dass die geltenden Regeln auch bei eigentlichen Vorzeige-Raffinerien wie Argor-Heraeus nicht ausreichten, kritisiert Juliane Kippenberg von Human Rights Watch.

Zum einen fehle oft die vertiefte Analyse der Unternehmen direkt bei den Minen. «Zudem sind die Audits, die von Industrieverbänden durchgeführt werden, oft sehr kurz und oberflächlich», kritisiert Kippenberg. «Es muss mehr dafür getan werden, dass Unternehmen und Auditoren diese Informationen bekommen können.»

Offenlegung der Lieferketten

Entsprechend fordern in der Schweiz NGOs immer wieder, dass Raffinerien ihre Lieferketten offenlegen, um Gold aus problematischer Herkunft schneller erkennen zu können. Dagegen wehrt sich die Branche: Das sei rechtlich nicht umsetzbar. Alternativ will die Branche den Zoll als Kontroll- und Ombudsstelle mit mehr Kompetenzen ausstatten.

Nachhaltiges Gold hat es schwer

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Mit der «Swiss Better Gold Initiative» versucht die Schweiz seit 2013, nachhaltiges Gold zu fördern. Daran beteiligt sind das Staatssekretariat für Wirtschaft sowie Branchenvertreter. In der Tat nehme die Nachfrage bei den Bankkundinnen und -kunden nach rückverfolgbarem Gold laufend zu, sagt Christian Hofer. Er ist Vorstandsmitglied der «Swiss Better Gold Initiative» und bei der Raiffeisen-Bank für Nachhaltigkeit und Corporate Responsability verantwortlich.

So gebe es auch bei seiner Bank Bemühungen, nachverfolgbares und nachhaltig geschürtes Gold bei den Kunden beliebter zu machen, so etwa mit einem entsprechenden ETF, einen nachhaltigen Gold-Fonds. «Wir sind dabei sehr transparent und achten auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien in der Lieferkette», so Hofer. Trotzdem aber ist der Anteil an nachhaltig produziertem Gold am gesamten Goldmarkt in der Schweiz, der insgesamt rund 4000 Tonnen umfasst, bislang verschwindend klein.

Immerhin, so betont Hofer, seien 2022 im Rahmen der Initiative vier Tonnen Gold aus kleinen Minen in Südafrika auf den Schweizer Markt gelangt – 80 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Eine gewisse Menge dieses Goldes werde bei Raiffeisen in die Standard-Goldprodukte integriert, womit diese nur sehr unwesentlich teurer würden. Denn: «Würden wir ein Produkt aus rein solchem Gold anbieten, wäre es so teuer, dass es nur ganz wenige Leute nachfragen würden.» Laut Hofer brauche es ein allgemeines Umdenken – bei allen Akteuren –, damit der Goldhandel nachhaltiger und fairer werde. «Das ist eine Herausforderung und kann nicht so schnell gehen», räumt der Raiffeisen-Banker ein.

Der Ball sei beim Parlament, erklärte unlängst Christoph Wild, damals Chef von Argor-Heraeus, heute Präsident des Branchenverbandes der Edelmetallverarbeiter. «Wir sind daran, das Parlament dafür zu sensibilisieren, was für uns wichtig ist und wie man mit kleinen, schnellen Handgriffen deutliche Verbesserungen erzielen könnte.»

Umstrittene Mine ist wieder in Betrieb

Für Kippenberg wäre das eine interessante Lösung. Wenn Unternehmen per Gesetz entsprechende Verpflichtungen auferlegt würden, samt einer Behörde, die das Ganze überwacht, sei das sinnvoll. «Diese Behörde müsste sich dann auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen ansehen und diese auch annehmen.»

Allerdings: Das Parlament widmet sich dem Zollgesetz frühestens im Herbst. Und bis zur Umsetzung der neuen Gesetze bleibt die Herkunftskontrolle von Gold Sache der Raffinerien selbst. Die Lega Dembi Mine in Äthiopien ist mittlerweile wieder in Betrieb – laut NGOs ohne Lösung der Umweltprobleme. Das so geförderte Gold werde nun in Länder ausserhalb Europas exportiert.

Rendez-vous, 12.05.2023, 12:30 Uhr

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