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Maschinen auf Hochtouren, volle Pflichtlager
Aus ECO vom 30.03.2020.
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Reis, Zucker und Hartweizen Die Schweiz hat gut für Notlagen vorgesorgt

Die Rohwaren-Vorräte der Schweiz sind unangetastet. Selbst jetzt, da Nahrungsmittel-Firmen auf Hochtouren produzieren. Dass sie genügend Gries und Weizen haben, verdanken sie auch dem Effort auf der Schiene.

Wir bezahlen dafür, ohne es zu merken. Wer ein Brot kauft, bezahlt eine kleine Abgabe für das Getreidepflichtlager. Wer Kaffee kauft, bezahlt fürs Kaffee-Pflichtlager.

Es seien Kleinstbeträge, sagt Hans Häfliger: «Beim Getreide fünf Rappen pro Kilo, beim Kaffee auch, beim Speiseöl ist es etwas mehr.»

Häfliger ist Chef der Réservesuisse, jener Genossenschaft, die dafür sorgt, dass die Schweiz stets volle Nahrungsmittel-Pflichtlager hat.

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Hans Häfliger: «Wir haben genügend Nahrungsmittel. Die Pflichtlager sind voll.»
Aus ECO vom 30.03.2020.
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16'000 Tonnen Reis, 55'000 Tonnen Zucker, 23'000 Tonnen Hartweizen, 400'000 Tonnen Energie- und Proteinträger und mehr für Notlagen.

Würde man alles auf einen Zug verladen, befände sich die Lokomotive in Zürich, der letzte Wagen in Lausanne. So gross sind unsere Pflichtlager.

Genug für drei bis vier Monate. Riesige Mengen, die Lagerkosten verursachen. Und diese werden mit den Abgaben der Konsumentinnen und Konsumenten beglichen.

«Die Pflichtlager sind voll»

Angezapft werden diese Reserven, welche die Schweiz auch für Heilmittel, Mineralöle, Düngemittel und Erdgas hält, nur im Notfall.

Bei starken Schmerzmitteln ist der Notfall mit der Corona-Krise eingetreten, dort müssen Pflichtlager demnächst geöffnet werden, wie das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung vergangene Woche bestätigte.

Und bei den Nahrungsmitteln? «Die Pflichtlager sind voll. Wir sind weit davon entfernt, sie öffnen zu müssen», sagt Hans Häfliger.

Dazu käme es erst, wenn sich zu viele Involvierte mit dem Virus anstecken und nicht mehr arbeiten könnten, Transporteure etwa oder Mitarbeitende von Verarbeitungsbetrieben.

«Wenn die komplett ausfallen würden, also kein Warenfluss in die Schweiz käme, dann müssten inländische Lager geöffnet werden», sagt Häfliger.

Eine solche Situation würde sich allerdings im Voraus abzeichnen. «Und da haben wir bislang keine Warnungen im System, dass dem so wäre».

Pflichtlager sind in Hand der Privatwirtschaft

Der Bund hält die Pflichtlager nicht selbst. Das überlässt er der Privatwirtschaft, Firmen, die Nahrungsmittel importieren oder verarbeiten. Also Nestlé, Fenaco, Produktionsbetriebe von Migros und Coop und zahlreiche andere. Sie alle sind verpflichtet, Mitglied der Réservesuisse sein.

Häfliger ist ständig mit den Firmen in Kontakt. Was er dieser Tage hört: Es brauche mehr Geduld als sonst, um Rohwaren zu importieren. Was er aber auch hört: die Versorgung funktioniert.

Das bestätigt Antoine Bolay von der Coop-Tochter Swissmill. Momentan sei das kein Problem, sagt er. Hinter ihm rollt gerade ein Eisenbahnwagen an, der Weizen für die Weissmehl-Produktion anliefert.

Würde die Versorgung nicht funktionieren, hätte Antoine Bolay ein Problem. Denn Swissmill produziert derzeit drei Mal mehr als in normalen Zeiten. Und die Hälfte der Rohware importiert Swissmill.

Es wird in zwei Schichten gearbeitet statt in einer. Ein Mitarbeiter bedient zwei Maschinen statt wie bislang nur eine.

«Wir haben Kunden, die das Achtfache bestellen»

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Beat Grüter, Inhaber des Thurgauer Teigwaren-Herstellers Pasta Premium, hat zwar Grund zur Freude: Seine Produktion läuft auf Hochtouren. Allerdings sind auch die Kosten gestiegen.

Herr Grüter, in vielen Bereichen der Wirtschaft herrscht Stillstand. Und bei Ihnen?

Wir können aus vollen Rohren produzieren, uns wird alles aus den Händen gerissen. Wir haben einzelne Kunden, die das Achtfache bestellen. Insgesamt produzieren wir drei Mal mehr als in normalen Zeiten.

Wie stemmen Sie das?

In erster Linie müssen die Leute mehr arbeiten. Dabei gäbe es überhaupt keinen Grund für diese Hamsterkäufe. Es gibt doch genug Nahrung in der Schweiz. Unsere Leute würden auch gerne nach Hause am Wochenende. Aber wir arbeiten jetzt sieben Tage pro Woche in allen Schichten.

Angesichts des hohen Absatzes müssten Sie jubeln.

Nein, denn gleichzeitig steigen die Kosten. Sonntags- und Nachtarbeit muss ich doppelt bezahlen. Hinzu kommt: Wir arbeiten mit Schweizer Eiern. Die sind jetzt, kurz vor Ostern, teurer. Jede Tankfüllung kostet 12'000 Franken mehr. Dann haben wir Probleme bei der Beschaffung von Gries, von Folien und Karton. Vieles kommt aus dem Ausland. Das ist alles teurer.

Wälzen Sie diese Zusatzkosten auf den Käufer ab?

Nein, wir verkaufen die Produkte nicht teurer. Wir haben Verträge mit den Detailhändlern, die gelten. Natürlich könnten wir die Preise etwas erhöhen, aber das würde später auf uns zurückfallen.

Also profitieren Sie unter dem Strich nicht von der Ausnahmesituation?

Die Lebensmittel-Produktion ist ein Low-cost-Business. Wir haben vorher nicht viel verdient. Wir verdienen jetzt nicht übermässig. Wir werden auch morgen nicht mehr verdienen. Solange der Konsument nicht gewillt ist, ein bisschen mehr zu bezahlen für Lebensmittel, ist es schwierig. Ich hoffe, die Menschen beginnen jetzt umzudenken, es geht immerhin um die Versorgungssicherheit des Landes.

Wie lange können sie die aktuelle Situation im Betrieb aufrechterhalten?

Wir müssen irgendwann wieder zurückfahren. Ich denke, dass die Hamsterkäufe bald vorbei sind. Dann werden die Volumen abnehmen, und wir können den Leuten wieder mehr frei geben.

Und wenn nicht?

Dann haben wir einen Plan B. Dann helfen Angehörige unserer Mitarbeitenden in der Produktion mit. Also Leute, die wir persönlich kennen.

«Die Nachfrage ist so gross, dass wir nicht mehr das ganze Sortiment produzieren können», sagt Bolay. «Wir haben uns auf das Standard-Sortiment beschränkt, und das ist in erster Linie Weissmehl». Dafür werden weniger Spezialprodukte wie Fertigmischungen produziert.

Ethanol im Sonderzug aus Rotterdam

Die Versorgung des Landes funktioniert auch deshalb, weil der grenzüberschreitende Bahngüterverkehr funktioniert. Selbstverständlich ist dies nicht – selbst für den Marktführer SBB Cargo International.

Geschäftsleiter Sven Flore sagt: «Die Wahrnehmung war nicht in allen Ländern die, dass die Bahn das Rückgrat ist, um die Logistikketten abzusichern. Das heisst, die Freiheit zu bekommen, dass unsere Leute nach wie vor Grenzen überschreiten dürfen. Dass also der Güterverkehr auf der Schiene weiter rollt, hat wirklich Mühe gekostet, insbesondere in Italien».

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Florian Holzapfel: «Wenn wir die Züge nicht mehr fahren können, müssten solche grosse Fuhren via Lastwagen transportiert werden.»
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Im Güterbahnhof Muttenz bei Basel ist vergangene Woche ein Sonderzug aus Rotterdam eingefahren. Die Ladung: 15 Kesselwagen mit 1400 Tonnen Ethanol, einem Grundstoff für Desinfektionsmittel. Bestellt vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung.

An der Spitze des Zuges eine Lokomotive von SBB Cargo International. Lokomotivführer Florian Holzapfel hat den Zug ab Mannheim gefahren.

Gerade in einer solchen Krise könne die Bahn ihre Vorteile ausspielen, sagt der zweifache Familienvater: «Wenn wir die Züge nicht mehr fahren können, müssten solche grosse Fuhren via Lastwagen transportiert werden. In meinem Fall wären das ungefähr 40 Stück. Diese würden dann an der Grenze stehen. Und es wären 40 Risikofälle mehr».

Normalisierung erst im September?

Allerdings: Die Aufträge gehen auch bei SBB Cargo International deutlich zurück. Bis Anfang April rechnet das Unternehmen mit 25 Prozent weniger Menge. Das belaste das ohnehin margenschwache Geschäft zusätzlich, sagt Sven Flore.

«Wenn sich dieser dramatische Einbruch fortsetzt, kann das über kurz oder lang zu Liquiditätsengpässen führen. Denn der Güterverkehr auf der Schiene ist nicht so profitabel, dass man in normalen Zeiten grosse Rückstellungen oder Rücklagen bilden kann», sagt er.

Sven Flore schätzt, dass sich die Situation erst wieder im September einigermassen normalisieren wird.

Corona hat die Versorgungslage verschärft. Augenscheinlich hat die Schweiz aber gut vorgesorgt.

ECO vom 30.3.2020

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