Zum Inhalt springen

Sanktionen und die Luftfahrt Russlands zivile Flugzeuge bleiben früher oder später am Boden

Die Auswirkungen der westlichen Sanktionen gegen Russland sind einschneidend – insbesondere im Bereich der Luftfahrt, die in einem so grossen Land wie Russland unentbehrlich ist. Ohne westliche Technik und westliches Geld hebt in Russland kein einziges ziviles Flugzeug ab.

Die internationalen Sanktionen treffen die russische Luftfahrt ins Mark – das zeigt sich exemplarisch bei Aeroflot, der grössten Fluggesellschaft in Russland: Ihre Flotte umfasst 186 Flugzeuge. Der weitaus grösste Teil – 177 Flugzeuge – stammen von Airbus und Boeing. Nur gerade 9 Maschinen sind russischer Herkunft.

Und was für Aeroflot gilt, gilt mehrheitlich auch für die anderen Fluggesellschaften, erklärt Max Oldorf, Berater beim Luftfahrtinformationsdienst CH-Aviation: «Über die letzten zehn, fünfzehn Jahre hat die russische Luftfahrt sich extrem modernisiert. Und das tat man mit westlichen Flugzeugen.»

Zur Modernisierung hat es auch westliche Technologie gebraucht. Und selbst das einzige moderne Flugzeuge aus russischer Produktion – ein Regionaljet des Herstellers Suchoi – ist auf westliche Technik angewiesen. «Die Triebwerke kommen aus westlichen Ländern und auch die Avionik im Cockpit ist westlich,» erklärt Oldorf. Auch für diese Teile würden die Sanktionsvorschriften gelten.

Über kurz oder lang können die Flugzeuge nicht mehr abheben.
Autor: Max Oldorf Berater beim Luftfahrtsinformationsdienst «CH-Aviation»

Selbst wenn man mit einem russischen Flugzeug in Russland fliegt, würde man irgendwann an den Punkt kommen, dass keine Ersatzteile mehr vorhanden sind, betont Oldorf. Denn fortan ist es verboten, Ersatzteile für Flugzeuge nach Russland zu liefern. Der Materialverschleiss bei Flugzeugen ist gross und sie müssen deshalb regelmässig gewartet werden. Nur sind selbst Wartungsarbeiten durch westliche Unternehmen nicht mehr erlaubt.

Die Folgen sind absehbar: Über kurz oder lang können Flugzeuge nicht mehr abheben, sagt Laurent Chassot. Er ist Partner bei gbf-Anwälte in Genf und spezialisiert auf Luftfahrtrecht: «Das geht sehr schnell. Ersatzteile braucht man sehr regelmässig und wenn diese nicht nach Russland exportiert werden dürfen, werden die Flugzeuge sehr schnell nicht mehr flugfähig sein und dürfen dann nicht mehr betrieben werden.»

Spielraum ist klein

Ersatzteile auf anderen Wegen zu beschaffen sei theoretisch möglich, aber heikel, erklärt der Jurist Chassot. Denn gerade die US-Sanktionen wirkten auch extra-territorial – also über die Landesgrenzen hinaus: So dürfen Ersatzteile auch von Drittstaaten nicht einfach nach Russland weiterverkauft werden, so Laurent Chassot. «In den USA spricht man nicht nur von Exportkontrolle, sondern auch von einer Kontrolle, die es verbietet, Güter aus den USA von Drittstaaten weiterzuverkaufen.»  

Der Spielraum ist also klein. Russland befindet sich damit in der gleichen Situation wie schon seit Jahren der Iran und Nordkorea. Kommt hinzu, dass die russische Luftfahrt nicht nur technologisch, sondern auch finanziell vom Westen abhängig ist. Auch das zeigt das Beispiel Aeroflot: Die russische Fluggesellschaft «besitzt» nur 37 ihrer 186 Flugzeuge. Der Rest ist geleast, grossmehrheitlich bei Firmen in Europa.

Aufgrund der Sanktionen müssen nun auch all diese Leasingverträge gekündigt werden – und zwar bis Ende März. Dabei stelle sich eine Frage, sagt Luftfahrtexperte Max Oldorf: «Werden diese Flugzeuge zurückgegeben oder werden sie einfach ‹nationalisiert›, also von Russland beschlagnahmt?»

Erste russische Fluggesellschaften haben bereits angedeutet, dass sie die geleasten Flugzeuge nicht zurückgeben werden. Zwar könnten sie mit den beschlagnahmten Flugzeugen noch einen Moment fliegen, aber auch da stellt sich dann irgendwann die Frage nach Ersatzteilen. Die westlichen Sanktionen entfalten ihre Wirkung also über die Zeit und führen im Endeffekt dazu, dass die Flugzeugflotten in Russland stetig kleiner werden.

Echo der Zeit, 05.03.3033, 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel