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Aus für Schweizer Stahlindustrie?
Aus Rendez-vous vom 27.11.2019. Bild: Keystone
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Schmolz+Bickenbach «Milliardäre streiten sich um den Konzern, der am Abgrund steht»

Die Firma Schmolz+Bickenbach wird 100. Statt grosser Party ist beim Stahlhersteller aber eher grosser Kater angesagt. Wenn nicht sehr bald 325 Millionen Franken eingeschossen würden, müsse der Konzern Konkurs anmelden, meldete das Unternehmen. Seither fliegen die Fetzen zwischen den Besitzern und den Grossaktionären.

Charlotte Jacquemart

Charlotte Jacquemart

Wirtschaftsredaktorin, SRF

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Charlotte Jacquemart hat an der Universität Zürich Ökonomie studiert und arbeitet seit Juni 2017 als Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Zuvor war sie 13 Jahre lang bei der «NZZ am Sonntag» tätig.

SRF News: Man hat das Gefühl, es werde Stahl verbaut wie verrückt. Warum läufts beim grössten Stahlbauer der Schweiz nicht rund?

Charlotte Jacquemart: Es gibt hausgemachte und externe Gründe. Schmolz+Bickenbach hat in Europa einige Stahlfirmen aufgekauft. Das war teuer und führte zu hohen Schulden. Dann kam der Einbruch in der Autoindustrie; die Autobauer sind die wichtigsten Abnehmer des Stahls von Schmolz+Bickenbach. Dazu kamen die Strafzölle auf Stahl aus USA und EU. Beide wollen ihre eigenen Stahlproduktionen schützen, denn es gibt heute einfach zu viel Stahl auf der Welt – was auch noch auf die Preise drückt.

Politik mischt sich ein

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Die marode Lage des Luzerner Stahlherstellers beschäftigt auch die Politik. So hat die Luzerner Regierung bei Wirtschaftsminister Guy Parmelin vorgesprochen und darum gebeten, dass die Behörden ihren Spielraum zur Rettung von S+B ausnützten. Dasselbe verlangt der Industrieverband Swissmem – sowie sieben National- und Ständeräte in einem offenen Brief an Bundesrat und Finanzmarktaufsicht Finma. Insbesondere müsse die Finma, die als Rekursstelle der Übernahmekommission fungiert, den Entscheid der Übernahmekommission rückgängig machen.

Die Übernahmekommission hatte entschieden, die zwei Grossaktionäre Martin Haefner und Viktor Vekselberg (Liwet) nicht von einem Pflichtangebot an die Minderheitsaktionäre auszunehmen (opting-out). Ein Pflichtangebot würde dann nötig, wenn einer der Aktionäre nach der geplanten Kapitalerhöhung mehr als 33.3 Prozent der Aktien besitzen würde.

Ohne ein paar hundert Millionen wäre bei Schmolz+Bickenbach also bald Lichterlöschen?

Ob das so schnell geht, ist von aussen schwer zu beurteilen. Sicher ist: Der überschuldete Stahlproduzent braucht dringend neues Geld. Die Banken haben dem Konzern deshalb das Messer an die Brust gesetzt und fordern, dass bis Ende Januar 2020 neues Geld da ist. Um diese Kapitalerhöhung zu bewilligen, ist am kommenden Montag eine ausserordentliche Generalversammlung geplant.

Die Banken haben dem Konzern das Messer an die Brust gesetzt und fordern, dass bis Ende Januar 2020 neues Geld da ist.

Nun findet ein Kampf zwischen Eignern und Grossaktionären der Firma statt. Der Grossaktionär, AMAG-Gründer Martin Haefner, wäre unter Bedingungen bereit, die benötigten 325 Millionen einzuschiessen. Warum applaudiert da keiner?

Haefner will den Minderheitsaktionären kein Pflichtangebot unterbreiten, auch wenn er wegen der Millionen die Schwelle von 33.3 Prozent erreichen würde. Das müsste er aber nach Gesetz, weil er damit die Kontrolle von Schmolz+Bickenbach übernähme. Haefner hat von der Übernahmekommission verlangt, dass sie eine Ausnahme macht. Das hat sie aber Anfang Woche abgelehnt.

Das ist für die 10'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl keine gute Situation.

Nein. 800 davon arbeiten in der Schweiz. Der Fall ist auch deshalb bizarr, weil es neben dem Amag-Gründer noch einen zweiten grossen Grossaktionär gibt: Die Beteiligungsgesellschaft Liwet. Dahinter steckt der Russe Viktor Vekselberg. Ihm gehören 27 Prozent von Schmolz+Bickenbach, und er will nicht, dass Haefner die Kontrolle über den Konzern übernimmt. Es heisst, er habe eigene Pläne, die er am kommenden Montag vorstellen will. Da streiten sich also zwei Milliardäre um einen Konzern, der am Abgrund steht. Das hilft nicht weiter.

Und so geht es weiter

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Am Montag werden die Aktionäre von S+B an einer ausserordentlichen Generalversammlung über eine Kapitalerhöhung bis zu 614 Millionen Franken befinden. Stimmen die Aktionäre dieser zu, so können sie zwischen dem 5. und 11. Dezember entscheiden, ob sie neues Geld einschiessen wollen.

Erst danach wird man wissen, ob der Amag-Besitzer Martin Haefner, der jetzt schon 17 Prozent an S+B besitzt und 325 Mio. Franken beisteuern will, die Schwelle von 33.3 Prozent auch wirklich überschreiten wird.

S+B kennt nach eigenen Aussagen die Absichten des zweiten Grossaktionärs Viktor Vekselberg (27 Prozent-Anteil) nicht. Sicher ist, dass Vekselberg und Häfner sich gegenseitig loswerden wollen. Vekselberg verlangt zusätzlich, dass an einer weiteren ausserordentlichen Generalversammlung der S+B-Präsident Jens Alder und drei weitere Verwaltungsräte abgewählt werden.

Dies deshalb, weil der Verwaltungsrat unter Jens Alder das Angebot von Martin Haefner unterstützt. Vekselbergs Putschversuch würde nichtig, falls Martin Haefner die Kontrolle von S+B übernähme. Lehnen die Aktionäre am Montag die Kapitalerhöhung ab, dann geht’s für alle zurück auf Feld eins.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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