In Genf verhandeln Delegationen der USA, der Schweiz und China über die Zölle. Doch was will die Regierung von Donald Trump wirklich? Es gehe um weit mehr als nur den Handel, sagt Hans-Werner Sinn. Der eigentliche Plan sei eine Umstrukturierung der Schulden, sagt der Wirtschaftsexperte.
SRF News: Wie würden Sie die finanzielle Lage der USA beschreiben?
Hans-Werner Sinn: Es ist ziemlich dramatisch. Den Amerikanern geht das Geld aus. Jedenfalls das Geld, das sie sich leihen. Drucken können sie es sich natürlich. Nur, davon gibt es sowieso schon zu viel. Und deswegen greifen sie zu Massnahmen, die sehr erratisch wirken. Aber ich denke, dahinter steckt ein Plan.
Die Schulden in den USA sind schon länger ein Thema. Was hat sich aus Ihrer Sicht verändert?
Amerika galt immer als der Hort der Stabilität und als sichere Anlage. Bei Unsicherheiten und Spannungen auf der Welt kauften alle amerikanische Staatsanleihen. Das ist jetzt anders. Jetzt haben wir eine Fluchtbewegung aus den USA.
Können Sie das beschreiben?
Die USA sind in finanziellen Schwierigkeiten, weil sie je nach Rechnung zwischen 11 und 13 Prozent ihres staatlichen Budgets für Zinsen ausgeben müssen. In Deutschland sind das nur zwei Komma irgendwas Prozent.
Am meisten Sorgen macht mir, dass Trump ein gewaltiges Manöver fährt, welches nur der Ablenkung dient.
Die Amerikaner haben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Die Leistungsbilanzdefizite wurden mit Schuldscheinen beglichen. Lange Zeit war die Welt bereit, die Schuldpapiere zu niedrigen Zinsen zu akzeptieren. Aber ich glaube, das geht jetzt zu Ende.
Inwiefern zeigt sich das?
Die Kapitalanleger sind nervös geworden. Der Dollar ist abgesackt und die Kurse sind gefallen.
Die USA haben Schulden von 36’000 Milliarden Dollar. Das Land bezahlt im laufenden Jahr Zinsen von mehr als 900 Milliarden Dollar. Die Ausgaben nehmen laufend zu. Was macht Ihnen davon am meisten Sorgen?
Am meisten Sorgen macht mir, dass Trump ein gewaltiges Manöver fährt, welches eigentlich nur der Ablenkung dient. Er verkündet Zölle gegenüber vielen Ländern, und dann wird verhandelt. Er will was haben und ich glaube, er will Geld haben. Das steht in einem Papier des Vorsitzenden des Sachverständigenrates der USA, des Council of Economic Advisors, Stephen Miran.
Nach Definition der Ratingagenturen wäre das eine Insolvenzmassnahme.
Er will offenbar, dass man über Umstrukturierungen der amerikanischen Schulden nachdenkt, sodass die kurzfristigen Treasury Bills durch langfristige Papiere ersetzt werden – zumindest bei institutionellen Anlegern. Diese langfristigen Papiere sollen niedrige Zinsen haben.
Nach den Definitionen der Ratingagenturen wäre das ein Default: eine Insolvenzmassnahme, um sich dieser Lasten zu entledigen, die da aufgetürmt worden sind. Das amerikanische Modell basierte darauf, dass man sich den Lebensstandard zum Teil auf Pump erlaubt hat. Dieses Modell kommt jetzt an sein Ende. Das zeigen die Aktionen von Trump.
Trump könnte die Sanierung der Schulden doch direkter angehen, ohne den Umweg über die Zölle.
Nein, das wäre zu gefährlich für die Kapitalmärkte. In Wahrheit geht es darum, dass man durch die Androhung von Zöllen in den jeweiligen Ländern die jeweils betroffenen Industrien auf die Palme bringt. Trump hat dadurch in jedem Land eine starke Lobby der jeweils betroffenen Industrien, die darauf drängen werden, nun alles zu tun, um die Zölle zu vermeiden.
Hat Trump mit dem Vorgehen nicht viel Geschirr zerschlagen?
Ja, massiv. Er hat die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Währung, des Dollars, durch seine Massnahmen sehr stark beschädigt.
Das Gespräch führte Manuel Rentsch.