Wenn erdölexportierende Länder in einen Konflikt involviert sind, dann steigt der Ölpreis meist ziemlich schnell. Aber jetzt, beim Konflikt zwischen Israel und dem Iran, scheint das anders zu sein. Obwohl der Iran über grosse Ölreserven verfügt, verändert sich der Ölpreis viel weniger stark als auch schon. Warum das so ist, erklärt Ölfachfrau Cornelia Meyer.
SRF News: Obwohl der Iran über grosse Ölreserven verfügt, reagiert der Ölpreis viel weniger stark als auch schon. Warum?
Cornelia Meyer: Der Preis ist von unter 70 Dollar auf ungefähr 80 Dollar pro Fass angestiegen, dann ist er wieder heruntergekommen. Es gibt sehr viele Extrakapazitäten, vor allem von OPEC-Plus-Ländern. Sie hatten ihre Produktion zuvor gedrosselt, um dem Ölmarkt eine gewisse Stabilität zu geben.
Wenn die Strasse von Hormus zugegangen wäre, wäre es schwierig geworden.
Ist das der Hauptgrund, wieso der Ölpreis nicht mehr so stark auf Verwerfungen reagiert?
Ja. Das Ziel der Opec ist, die Märkte adäquat versorgt zu halten. Das hat sie gemacht. Solange die Strasse von Hormus offen bleibt, ist es kein Problem, weil man diese Extrakapazitäten hat. Wenn die Strasse von Hormus zugegangen wäre, wäre es schwierig, weil viele Länder mit Extrakapazitäten ihre Tanker durch diese Strasse hätten schicken müssen.
Was würde es für die Weltwirtschaft bedeuten, wenn der Iran die Strasse von Hormus schliessen würde?
Die ganze Produktion von Kuwait, ein Teil der Produktion von Saudi-Arabien, ein Grossteil der Produktion der Vereinigten Arabischen Emirate und von Irak geht durch die Strasse von Hormus – und auch das Öl aus dem Iran. Letzterer exportiert gegenwärtig nur etwa 1.7 Millionen Fass pro Tag. Das sind etwa 1.5 Prozent des globalen Ölmarktes. Für Europa wäre vor allem schwierig, dass es die Flüssiggasproduktion von Katar durch diese Strasse bringen muss. Wir importieren kein Pipeline-Gas von Russland mehr, hängen aber sehr stark vom Flüssiggas ab.
Irans wichtigste Deviseneinnahmen stammen aus China, Indien und anderen Ländern.
Würde es den Iran selbst auch treffen, wenn er diese Meerenge schliessen würde?
Der Iran ist nicht mehr so grosser Ölproduzent, wie er es auch schon mal war – wegen der Sanktionen. Der Iran produziert etwa 3.3 Millionen Fass Öl pro Tag und exportiert davon etwa 1.7 Millionen Fass. Die wichtigsten Deviseneinnahmen, die der Iran bekommt, erhält er durch den Ölverkauf nach China, Indien und in andere Länder. Wichtig für den Iran war, dass die Insel Charg nicht getroffen wurde. Denn dort befinden sich die Exportstationen des Irans.
Es gibt keine Anzeichen, dass der Iran diese Handelsroute schliessen will. Erwarten Sie, dass der Ölpreis nun stabil bleibt?
Ja – obschon die geopolitische Prämie auf dem Öl eigentlich zu klein ist, weil es so viele Schwierigkeiten gibt, zum Beispiel Russland und den Mittleren Osten. Aber der wichtigste Faktor für den Ölpreis ist die Konjunktur. Und solange man nicht weiss, was mit den US-Zöllen passiert, wird weniger verschifft und es wird weniger investiert. Wenn man nicht weiss, wie hoch die Zölle in zwei oder drei Monaten sind, dann kann man kein Schiff mit ihren Waren beladen, weil man nicht weiss, wie hoch das Preisniveau sein wird.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.