Worum geht es? Besonders exportorientierte Unternehmen leiden unter hohen Standortkosten, dem starken Schweizer Franken und den Zollnachteilen, die sie etwa gegenüber Konkurrenten aus der EU haben.
Um dem entgegenzuwirken und die Schweizer Wirtschaft zu stärken, fordert Unia-Präsidentin Vania Alleva, staatliche Aufträge konsequenter an Schweizer Unternehmen zu vergeben. Die Chefin der grössten Gewerkschaft argumentiert, dass dadurch Arbeitsplätze, faire Löhne und Knowhow in der Schweiz bleiben.
Wie gross ist der Hebel? Laut Bundesrat vergeben Bund, Kantone und Gemeinden jährlich Aufträge im Wert von rund 40 Milliarden Franken an private Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Bau, Verkehr und Infrastruktur.
Die SBB beispielsweise schreibt aktuell einen Grossauftrag für S-Bahnen in Milliardenhöhe aus. Kommt ein Schweizer Hersteller zum Zug, profitieren laut Alleva auch die rund 170 Schweizer Zulieferbetriebe der Rollmaterialindustrie. «Dieses Potenzial muss genutzt werden», sagt die Gewerkschafterin im SonntagsBlick.
Was sind Vor- und Nachteile? Werden vermehrt inländische Unternehmen vom Staat beauftragt, stärkt das die Binnenwirtschaft. Sinkender Wettbewerb kann jedoch Staatsaufträge verteuern und belastet das Staatsbudget so zusätzlich.
Was ist erlaubt? Die Rechtslage lässt Spielraum offen. Einerseits gilt: Nicht zwingend das «wirtschaftlich günstigste» Angebot erhält den Zuschlag, sondern das «vorteilhafteste». Neben dem Preis können auch soziale, ökologische und innovationsfördernde Faktoren berücksichtigt werden.
Andererseits ist die Schweiz als WTO-Mitglied an ein Diskriminierungsverbot gebunden. Schweizer Firmen dürfen nur bei klar definierten Ausnahmen bevorzugt werden. So etwa im Rüstungsbereich: Dort verlangte der Bundesrat jüngst, dass «möglichst» 60 Prozent der Aufträge in der Schweiz vergeben werden.
Wie reagiert die Wirtschaft? Beim Verband der Schweizer Tech-Industrie Swissmem sind öffentliche Aufträge immer willkommen. Allerdings genüge die Massnahme nicht, um die aktuellen Probleme der Industrie zu lösen. Zwar könnten Behörden die bestehenden Regelungen noch stärker zugunsten heimischer Unternehmen nutzen, doch seien die WTO-Vorgaben zwingend einzuhalten. Swissmem fordert stattdessen etwa, weitere Freihandelskommen abzuschliessen.
Letztlich muss ein Unternehmen mit seinem Produkt überzeugen – und nicht mit Schutzmassnahmen.
Auch Franziska Tschudi Sauber, Verwaltungsratspräsidentin des Industriekonzerns Weidmann, warnt vor protektionistischen Experimenten: «Der Preis soll nie das einzige Kriterium sein, sondern auch die Art und Weise, wie produziert wird», erklärt sie. «Letztlich muss ein Unternehmen mit seinem Produkt überzeugen – und nicht mit Schutzmassnahmen.»