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Die neue «Swiss Made»-Smartwatch
Aus 10 vor 10 vom 07.09.2020.
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Smartwatch der Swatch Group Wie Nick Hayek den Kampf gegen Apple & Co. aufnimmt

Die Swatch Group lanciert nach langer Entwicklungszeit eine Smartwatch. Kaum da, schon veraltet, urteilen Kritiker.

Nick Hayek reagiert leicht gereizt auf die Frage, wieso es so lange gedauert habe, bis sein Unternehmen nun endlich eine Smartwatch lanciert. Er hatte diese Uhr schon vor mehreren Jahren angekündigt.

«Wenn man so etwas selber macht, muss man Zeit und Geld investieren. Wir wollten nicht abhängig sein von amerikanischen Software-Häusern, und dann dauert es halt vier bis sechs Jahre».

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Nick Hayeks flammender Appell für den Werkplatz Schweiz (und seine Smartwatch)
Aus News-Clip vom 07.09.2020.
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Hat die Swatch Group den Smartwatch-Trend verschlafen? Uhrenberater Oliver Müller von Luxeconsult sagt: «Das Unternehmen hat vielleicht nicht richtig eingeschätzt, wie stark dieses Segment boomen wird. Es ist viel zu spät eingestiegen.»

Applewatch-Ankündigung 2014: Hayek gab sich gelassen

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Bei der Präsentation der ersten Apple-Watch, im September 2014, gab sich Nick Hayek gegenüber der Tagesschau im SRF gelassen: «Ich finde das wunderbar. Immer wenn grosse Konzerne etwas tun möchten, das in unserem Bereich ist, ist das eine Ehre für uns, wenn wir sehen, dass der Markt wächst (...) Das sind Chancen für uns. Wir sind Champions, wenn es um Mikroelektronik und Mikromechanik geht.

Der Hintergrund: Swatch Group produzierte damals und auch heute noch Sensoren und Mikrochips für andere Firmen, auch im Gesundheitsbereich, sagt Nick Hayek gegenüber SRF. Mit dem Tochter-Unternehmen EM Microelectronic habe man mit den Sensoren «Schnittstellen für die Unterhaltungselektronik-Industrie» stetig entwickelt, heisst es Geschäftsbericht 2019.

Nick Hayek liess schon 2014 durchsickern, welches seine Smartwatch-Strategie ist. Unter Druck sei nicht er, sondern vor allem die grossen Elektronikfirmen, angesichts des grossen Wettbewerbs:

«Die müssen jedes Jahr wieder Millionen in Neuentwicklungen und neue Software stecken. Und die alten Geräte können Sie wegschmeissen.»

35 Millionen Franken hat die Swatch Group für die neue Tissot-Uhr T-Touch Connect Solar investiert: unter anderem in ein eigenes Betriebssystem, mit Anbindung an Apple- und Google-Smartwatches, und für ein Solarzifferblatt, das sicherstellen soll, dass man die Uhr nur alle sechs Monate aufladen muss.

Hayek setzt auf «Swiss Made» und den Werkplatz Schweiz. Das hat seinen Preis: Die Tissot Smartwatch kostet rund 1000 Franken.

Die neue Uhr hat smarte Funktionen: Schrittzähler und Höhenmeter, kann Benachrichtigungen und Anrufe anzeigen und soll nach einem Softwareupdate auch GPS-Funktionen nutzen können.

Skepsis im Tech-Hotspot Kalifornien

«Die Uhr hat keine Chance», sagt Philippe Kahn, Tech-Innovator und Unternehmer aus Kalifornien. Kahn kennt sich aus mit Smartwatches: Er entwickelt mit seiner Firma Fullpower kontaktlose Biosensoren. Zudem hat er an der ETH Zürich Mathematik studiert und vor ein paar Jahren auch schon die Schweizer Uhrenindustrie bei der Entwicklung von Smartwatches beraten.

«Es ist fast, wie wenn man Rechenschieber verkauft, wenn es auch Taschenrechner gibt», sagt Kahn zur neuen Schweizer Smartwatch.

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Tech-Unternehmer aus Kalifornien: «Die Uhr hat keine Chance.»
Aus 10 vor 10 vom 07.09.2020.
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Er spricht die harte Konkurrenz von Apple & Co. an. Apple beherrscht fünf Jahre nach der Lancierung seiner Apple Watch den Markt und verkauft inzwischen mehr Uhren als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie. Apple und Firmen wie Samsung, Garmin und Fitbit verkaufen Uhren, die mehr Funktionen haben als die Schweizer Uhren und weniger kosten.

Zieht Schweizer Luxus auf dem Smartwatch-Markt?

«Die digitale Welt überholt sich alle zwölf bis 18 Monate», sagt Kahn. Er spricht die Chips an, die immer leistungsfähiger werden. Die Menschen wollten jedes Jahr etwas Neues, sie wollten updaten. «Sie können nicht sagen: Ich bin Schweizer, deshalb baue ich diese schöne neue Uhr, sie ist digital und hält fünf Jahre. Das funktioniert nicht.» Dafür sei die Uhr zu teuer.

Es ist fast, wie wenn man Rechenschieber verkauft, wenn es auch Taschenrechner gibt.
Autor: Philippe Kahn Tech-Unternehmer, Kalifornien

Die Schweizer Uhrenindustrie fokussiere mit Smartwatches zu stark auf das Luxussegment, kritisiert Philippe Kahn weiter. Hublot lancierte ebenfalls in diesem Jahr eine Smartwatch, sogar für 5'500 Franken.

Nick Hayek will sich klar von Apple & Co. abgrenzen: «Jeder kann wählen, wie er will, der Konsument ist frei.» Er bewegt sich mit seiner Smartwatch, anders als die grossen Smartwatch-Player, in einer Nische. «Wir müssen nicht 100 Millionen Stück verkaufen, sondern 2 bis 3 Millionen», sagt er. «Es ist keine Massenware». Hayek sagt, er setze auf Exklusivität, wie auch bei den mechanischen Uhren seiner Marken Breguet, Tissot, Blancpain oder Omega.

Verzicht auf trendige Gesundheitsdaten

Die Uhr glänze zwar durch eine lange Laufzeit, es fehlten ihr aber smarte Funktionen, wie die Konkurrenz sie anbietet, sagt René Weber, Uhrenanalyst der Bank Vontobel.

«Wenn man schaut, wie sich die Smartwatch-Uhrenindustrie entwickelt hat: Da geht’s eigentlich vor allem um Gesundheitsdaten, die fehlen bei Tissot komplett.» Heute gibt es Uhren, welche die Schlafqualität oder sogar Elektrokardiogramme (EKG) erstellen und den Stresslevel messen.

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Nick Hayek: «Wir wollen keine Gesundheitsdaten speichern.»
Aus 10 vor 10 vom 07.09.2020.
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Nick Hayek entgegnet, er wolle keine persönlichen Gesundheitsdaten in der Uhr abspeichern – aus Sicherheitsgründen. «Das überlassen wir denen, die Daten sammeln und verkaufen».

Die Swatch Group: Kampf an vielen Fronten

Die neue Tissot-Smartwatch ist ein Hoffnungsträger. Der grösste Uhrenkonzern der Welt leidet unter einem coronabedingten Absatzeinbruch. Der Betriebsgewinn bis Ende Jahr wird voraussichtlich 50 Prozent tiefer sein als 2019.

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Swatch Group: Kampf an vielen Fronten
Aus ECO vom 31.08.2020.
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Vor allem die Marke Swatch – im tiefpreisigen Segment – sorge für Probleme, sagt Nick Hayek im «ECO»-Studio. Die Marke habe die grösste Konkurrenz – vor allem aus Asien.

Zudem seien die Distributionskanäle verloren gegangen. «In Deutschland sind die meisten Departmentstores Pleite gegangen. Kleine Händler haben zugemacht.» Doch Hayek gibt sich auch zuversichtlich: «Das könnte auch eine Chance sein.»

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Swatch-Chef Nick Hayek sprüht trotz Krise vor Optimismus
Aus ECO vom 31.08.2020.
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«Wir müssen wieder Risiken eingehen» – Interview mit Nick Hayek

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«ECO»: Die Marke Swatch, die ihr Vater eingeführt hat und deren Markenchef Sie mal waren, läuft nicht mehr so richtig. Schmerzt sie das?

Nick Hayek: Sie läuft sogar sehr präzise. Ich habe eine am Handgelenk.

Diese läuft gut, okay. Aber, wenn es um den Umsatz geht?

Vom Umsatz her hat die Swatch die grössten Probleme, weil sie die grösste Konkurrenz hat. Der Durchschnittspreis der Swatch ist 100 Franken. Es gibt viel Konkurrenz aus Asien.

Und dazu kommt etwas Problematisches bei der Swatch: Die Distributionskanäle sind verloren gegangen. In Deutschland sind die meisten Departmentstores Pleite gegangen. Kleine Händler haben zugemacht. Das könnte aber auch eine Chance sein.

Glauben Sie, dass Sie an den Erfolg, den man mal vor 20 Jahren hatte, anschliessen können? Oder ist das eine Marke, deren Zenit jetzt überschritten ist?

Nein. Es gibt so viele Innovationsmöglichkeiten. Und die Swatch ist sehr beliebt. In der Schweiz hat man vielleicht die Nase voll von der Swatch, vor allem die Journalisten, weil sie sagen: Swatch hatten wir jetzt 30 Jahre lang. Aber es gibt sehr viele Länder, China inklusive, in denen Swatch etwas Neues ist.

Ein Zuschauer hat mir geschrieben: «Fragen Sie Nick Hayek, wann eine ernstzunehmende Smartwatch auf den Markt kommt.» Nun kommt also die Tissot-Smartwatch. Ist das Ihre Antwort auf den wachsenden Markt der Smartwatches?

Wir haben immer gesagt, das ist eine Chance. Die Smart-Uhren machen unseren Markt grösser. Denn am schlimmsten ist es, wenn die Leute keine Uhr tragen oder kein Gerät am Arm. Und die Smart-Uhren haben die Leute dazu gebracht, ihre Gewohnheit wieder zu ändern, vor allem in Amerika.

Aber war das nicht etwas spät? Sie haben jetzt sechs Jahre gebraucht, um eine Smartwatch zu bringen. Apple verkauft schon mehr Smartwatches als der gesamte Schweizer Uhrenmarkt zusammen.

Ich bin erschüttert. Wir reden doch über eine Industrie. Wenn Sie ein mechanisches Werk herstellen, wie wir das machen bei einer Blancpain, Breguet oder Omega, dann dauert das vier Jahre.

Wenn Sie den Anspruch haben wie die Swatch Group – und wir haben das in der Covid-Krise gesehen –, dass wir nicht abhängig sein wollen von grossen ausländischen Firmen für strategische Produkte, dann müssen wir auch unser Operating System bei einer Smartwatch selbst machen.

Wir haben die Kompetenz, eine Smartwatch herzustellen, die eine unschlagbare Autonomie hat. Die Tissot-Uhr müssen Sie nie aufladen, vielleicht im schlimmsten Fall mit dem Solar-Ziffernblatt nach sechs Monaten.

Sie glauben also…

…ich glaube nicht. Ich sage Ihnen, was wir brauchen: Wir brauchen wieder Geduld. Wenn Sie ein Industrie-Unternehmen sind und die Schweiz ein industrieller Werkplatz sein will, dann müssen wir nicht von einer Herde von Journalisten gejagt werden und alle sechs Monate gesagt bekommen, dass es fertig sein muss. Wir müssen wieder Risiken eingehen.

10vor10, 7.9.20, 21:50 Uhr

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