- Gemäss Branchenkennern hat die Schweiz grosses Potenzial, ein «Silicon Valley» Europas zu werden.
- Allerdings verfüge das Land, anders als etwa die Vereinigten Staaten, über keine Fehlerkultur.
- Auch bei der Vernetzung der Erfinder und Unternehmer bestehe Luft im internationalen Vergleich noch Luft nach oben.
Das richtige Silicon Valley in Kalifornien sei ein grosses Chaos, sagt Bea Knecht, Gründerin des Internet-Fernsehkanals Zattoo: «Die Dynamik dort ist nicht mehr kontrollierbar, es ist eine Kettenreaktion, die stattfindet.»
Dort könne und dürfe jeder einfach ausprobieren. Investoren bezahlten für spannende Ideen viel Geld. Dieses Gefühl, diese Dynamik müsse man auch in der Schweiz wecken, wenn hier das «Valley» Europas, die kleine Kopie entstehen soll.
Im Original südlich von San Francisco – in einem Tal, das eigentlich Santa Clara Valley heisst und ungefähr so gross ist wie der Kanton St.Gallen – basteln Tausende Unternehmer daran, das nächste Facebook, Google oder Uber zu werden.
Vernetzung als zentraler Punkt
Sie reden miteinander, suchen Kontakte auch ausserhalb der Branche, erklärt der Schweizer Hannes Gassert, der unter anderem bei der Spenden-Plattform WeMakeIt mitmischt:
«Wenn ich im Silicon Valley bin, dann fällt mir auf, wie sehr Programmierer beispielsweise grosse Wirtschaftsanwälte kennen und wie sehr Wissenschafter beispielsweise Sportler kennen.»
Vernetzung ist aus Gasserts Sicht zentral, auch für die vielen kleinen Technologiezentren, die derzeit in der Schweiz entstehen. Eines entsteht zum Beispiel in Zug, wo junge Unternehmer an neuen digitalen Währungen basteln, oder in Zürich, wo sogenannte Fintechs den Banken und Versicherungen den Weg in die digitale Welt zeigen wollen. Schliesslich an der ETH Zürich und der EPFL in Lausanne, wo clevere Köpfe künstliche Intelligenz schlauer und Roboter intelligenter machen. Aber noch arbeite jeder zu stark für sich selbst, kritisiert Gassert.
Es muss eine Fehlerkultur, eine Fehlertoleranz geben.
Fehlerkultur gewünscht
Jeder bekomme in der Schweiz nur eine einzige Chance, es richtig zu machen, sagt Jan Schoch, der Chef von Leontech, einer Online-Investorenplattform. Auch das sei im richtigen Silicon Valley anders. Scheitern und wieder aufstehen und es noch einmal probieren gehöre dort zu jeder Karriere. «Es muss eine Fehlerkultur, eine Fehlertoleranz entstehen», sagt Schoch.
Diese Grosszügigkeit, das grosse Denken aber ist in der Schweiz noch nicht selbstverständlich. Aber es sei wichtig, um in der dynamischen Informatikwelt zu bestehen. Die Schweiz, so Schoch, müsse ermöglichen, dass schnell 3000 neue Firmen entstehen, und es aushalten, dass vielleicht nur 1500 davon überleben.
Wir haben die Voraussetzungen und die gut ausgebildeten jungen Leute, wir haben Forschungen, Ideen und Innovationen.
Die Voraussetzungen sind gut
Die Zattoo-Gründerin Knecht fügt an, dass es die Szene in Kalifornien schon seit 40 Jahren gebe. Junge Unternehmer könnten dort auf Hilfe von Gründern zählen, die in ihrer Karriere schon einige digitale Firmen geleitet haben: «Die Generation der Gründer hilft 20-jährigen, eine Firma wie Facebook gross zu machen. Diese hat Mark Zuckerberg nicht alleine gemacht.»
In der Schweiz fehle genau diese Gründer-Generation. Deshalb müsse es der Branche erlaubt sein, genug erfahrene Top-Leute aus dem Ausland zu holen.
Trotz dieser Unterschiede sind die Jungunternehmer Gassert, Knecht und Schoch überzeugt, dass die Schweiz eigentlich gut aufgestellt sei, um sich einen vorderen Ranglistenplatz in der digitalen Wirtschaft zu erobern, zum Silicon Valley zwei zu werden.
So sagt Schoch: «Wir haben die Voraussetzungen und die gut ausgebildeten jungen Leute, wir haben Forschungen, wir haben Ideen und Innovationen.» Nun müsse die Schweiz noch mehr bereit sein, den Valley-Spirit, den Geist des Silicon Valleys zu leben.