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Start-up In der reichen Schweiz fehlt den Start-ups das Geld

Beim Erfindergeist ist die Schweiz seit Jahren Weltmeister. Kein Land meldet im Verhältnis zu seiner Bevölkerung mehr Patente an. Das gilt insbesondere für Start-up-Unternehmen. Doch ausgerechnet in der reichen Schweiz gibt es für sie zu wenig Kapital.

Wollen Start-up-Unternehmen ihre Produkte auf den Markt bringen, brauchen sie meist Millionen – Geld, das die wenigsten haben. Kein Problem, in einer der reichsten Nationen der Welt, könnte man meinen.

Dieser Eindruck täuscht: In der Schweiz haben es Start-ups schwer, an Geld zu kommen. Hierzulande gibt es zu wenig sogenanntes Risikokapital – also Geld spezifisch für Start-ups.

Kleine Start-up-Fonds

Das bestätigt auch Peter Niederhauser, Gründer des Risikokapitalgebers Redalpine. Über einen Fonds investiert Redalpine in vielversprechende Start-ups. Die Kapitalnachfrage beim Schweizer Investor ist hoch. Niederhauser stellt immer wieder fest: Geld ist Mangelware: «In den USA stehen rund 100 Dollar Risikokapital pro Einwohner zur Verfügung. In der Schweiz sind es lediglich rund 20 Franken, also fünfmal weniger.»

Start-up-Experte Dietmar Grichnik, Professor für Unternehmertum an der Universität St. Gallen, sieht den Grund in der Schweizer Investorenlandschaft: «Das Problem hierzulande sind die kleinen Fonds-Grössen. Das durchschnittliche Fonds-Kapital liegt bei rund 30 Millionen Franken. Unter 100 Millionen Franken gibt es weniger Möglichkeiten, in mehrere Unternehmen zu investieren oder grössere Investments zu tätigen.»

Viele private Investoren

Bei den Start-up-Fonds fehle es in der Schweiz im Gegensatz zu Ländern wie den USA an grossen institutionellen Investoren – also Pensionskassen, Banken oder Versicherungen, so Dietmar Grichnik. Solche Investoren könnten mehr Kapital zur Verfügung stellen. Im Bereich der Start-ups seien es in der Schweiz vor allem private Investoren, die im kleineren Umfang investierten.

Die Folge: Viele grosse Schweizer Start-up-Unternehmen, wie die Online-Reiseplattform Getyourguide, der digitale Versicherungsbroker Knip, oder der Krebs-Medikament-Entwickler ADC Therapeutics, mussten sich Geld im Ausland besorgen.

Kapitalabfluss ins Ausland

Letztes Jahr haben Schweizer Start-ups 676 Millionen Franken Kapital erhalten. Gemäss Schätzungen von Europe Invest stellten Schweizer Investoren, wie etwa Redalpine, 43 Prozent des Kapitals. Dieser Anteil ist im internationalen Vergleich tief. Den Schätzungen von Europe Invest zufolge sind die Jungunternehmen im Nachbarland Deutschland zu 74 Prozent von inländischem Kapital finanziert. In Frankreich gar von 87 Prozent. Der europäische Durchschnitt liegt bei 62 Prozent.

Aus Sicht der Start-ups sei es kein Problem, wenn das Kapital von ausländischen Geldgebern stamme, so Start-up-Experte Grichnik. Wohl aber für die Schweizer Volkswirtschaft: «Bei einem ausländischen Risikokapitalgeber folgt ihm ein vielversprechendes Start-up möglicherweise gerade in der Wachstumsphase ins Ausland. Und ist es einmal weg, kommt es womöglich nicht mehr zurück.»

Attraktive Renditen in Zeiten von Negativzinsen

Eines könnte die vielen Schweizer Jungunternehmen, die um das knappe Kapital buhlen, zuversichtlich stimmen: In Zeiten von Negativzinsen und schwachen Märkten können die Start-up-Fonds für die Risikokapitalgeber und wiederum deren Investoren attraktive Renditen abwerfen. Ob Pensionskassen und Grossfirmen in der risikoscheuen Schweiz tatsächlich auf den Start-up-Zug aufspringen, bleibt abzuwarten.

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