Die Ankündigung von Novartis-CEO Vas Narasimhan sorgte im Juli für viele Schlagzeilen: Der Konzern setzt voll auf Homeoffice – auch nach Corona. Künftig sollen die Angestellten in der Schweiz selbst wählen, ob sie in der Firma oder zu Hause arbeiten – sofern Homeoffice mit der Funktion vereinbar sei.
4000 Angestellte von Privileg ausgeschlossen
Ein beachtlicher Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist aber von dieser Freiheit ausgeschlossen: die Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Sie dürfen, wenn die Corona-Krise vorbei ist, maximal 25 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice arbeiten.
Wir möchten die Unternehmenssteuer in der Schweiz zahlen.
Der Grund für diesen Entscheid von Novartis war bislang noch kaum Thema. Es geht um die Finanzen: Ein Teil des Unternehmensgewinns müsste der Konzern in jenem Land versteuern, in welchem die Angestellten im Homeoffice arbeiten. Im Fall von Novartis würde das hauptsächlich Deutschland und Frankreich betreffen.
Weil die Unternehmenssteuersätze in der Schweiz deutlich tiefer sind als in Deutschland und Frankreich, will Novartis, dass die Angestellten aus den Nachbarländern nach Corona wieder an ihren Arbeitsplatz in die Schweiz zurückkommen. Das bestätigt Thomas Bösch, der Personalleiter von Novartis Schweiz, gegenüber SRF: «Unsere Homeoffice-Freiheit gilt nur innerhalb des Landes und nicht über die Grenze hinaus.»
Hintergrund ist, dass Länder eine Gewinnsteuer verlangen, wenn Konzerne eine sogenannte Betriebsstätte errichten. «Wenn genügen Angestellte gewisser Funktionen im Homeoffice arbeiten, können Frankreich oder Deutschland das als Betriebsstätte definieren», sagt Thomas Bösch. «Dann wird dort versteuert.»
Deutlich höherer Steuersätze im Ausland
Der Blick auf die verschiedenen Gewinnsteuersätze zeigt grosse Unterschiede: In Basel zahlt Novartis rund 13 Prozent, in Frankreich liegt der Gewinnsteuersatz gemäss KPMG bei 28 Prozent und in Deutschland gar bei 30 Prozent. Grenzgänger im Homeoffice würden Novartis demnach teuer kommen.
In der Schweiz beschäftigt Novartis rund 4'000 Angestellte aus dem grenznahen Ausland. Sie machen rund ein Drittel aller Angestellten hierzulande aus.
Weiteres Problem: die Sozialabgaben
Neben der Gewinnsteuerthematik müsste sich Novartis ausserdem mit einem administrativen Problem herumschlagen. Dabei geht es um die Sozialabgaben der Angestellten. Diese werden im Ausland abgerechnet, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über 25 Prozent zu Hause arbeiten.
Diese Abrechnung neu aufzugleisen ist unglaublich kompliziert und auch sehr teuer.
«Für 4000 Grenzgänger diese Abrechnung neu aufzugleisen ist unglaublich kompliziert und auch sehr teuer», sagt Bösch. Auch darum werde Homeoffice für Grenzgänger nicht unterstützt, so der Personalleiter von Novartis. Gerade bei Sozialversicherungsabgaben wie der AHV gehe das ins Geld. Es würde sowohl die Mitarbeitenden wie auch die Firma ein Vielfaches von dem kosten, was sie in der Schweiz bezahlen.
Fehlanreize im Steuersystem
Der Fall Novartis zeigt, dass der Homeoffice-Boom wohl auch nach Corona anhält, dass es aber auch Fehlanreize gibt. Firmen versuchen ihre Kosten tief zu halten. Das führt vermutlich dazu, dass Grenzgänger häufiger zur Arbeit pendeln als nötig – obwohl die Gefahren der Pandemie noch immer präsent sind. Neben epidemiologischen Risiken sorgen diese Anreize auch für viel Pendelverkehr während Stosszeiten.