Können Sie mir Beispiele für Maschinenlernen geben, damit es jeder versteht?
Man sagt einer Maschine nicht mehr mittels Programmen, was man von ihr will. Sondern man gibt ihr Beispiele und lässt sie den Weg selbst finden. Ein Beispiel aus der Medizin: Man kann einer Maschine viele Bilder von Lungen zeigen, die von Krebs befallen sind, und von solchen ohne Krebs. Die Maschine wird fähig, an ihr unbekannten Bildern zu erkennen, ob ein Krebs vorliegt oder nicht.
Oder auf Facebook: Dort kann die Maschine anhand alter Fotos Ihrer Freunde erkennen, ob sie auf neuen abgebildet sind – auch wenn die Vorlagen fünf oder zehn Jahre alt sind.
Oder Stimmerkennung: Die Maschine lernt zu verstehen, was wir sagen. Und sie wird durch das Trainingsmaterial, das wir ihr geben, immer besser.
Sie sagen: Menschen versuchen, gegen Maschinen anzutreten. Was meinen Sie damit?
Viele machen sich Sorgen, dass sie mit Maschinen nicht mithalten können, weil diese immer schneller und besser als sie selbst werden. Das ist meiner Ansicht nach falsch. Es geht nicht um «Wir gegen die Maschinen», sondern wir müssen mit Maschinen zusammenarbeiten und überlegen: Wie können wir dank der Maschinen besser werden? Nur so können wir sicherstellen, dass wir das Wettrennen nicht verlieren.
Es herrscht viel Angst vor solchen Maschinen? Wie können Sie Menschen diese Angst nehmen?
Etwas Angst ist durchaus angebracht. Im Moment werden viele abgehängt, und das sollten wir nicht tolerieren. Es geht weniger darum, dass uns Maschinen angreifen oder töten könnten – sondern dass wir uns nicht ausreichend anpassen können und der Wohlstand ungerecht verteilt wird. Dieser Angst begegnen wir am besten, indem wir neue Fähigkeiten, Produkte und Dienstleistungen entwickeln.
Wir sind als Gesellschaft nicht kreativ genug gewesen.
Wer kann dabei helfen? Ist die Politik verantwortlich?
Regierungen haben eine grosse Verantwortung. Aber nicht nur sie. Jeder muss für sich selbst Verantwortung übernehmen und sich weiterbilden. Die Zeiten, in denen man in jungen Jahren eine Ausbildung absolviert und anschliessend fertig ist, sind vorbei. Jeder von uns wird lebenslang lernen und sich entsprechend den Veränderungen weiterentwickeln müssen.
Auch die Wirtschaft muss Verantwortung übernehmen: Wenn sie neue Produkte oder Geschäftsmodelle entwickelt, muss sie sich fragen: Machen wir gerade etwas, das zur Wohlstandsverteilung beiträgt, oder konzentriert es den Reichtum noch weiter?
Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen intelligenten Maschinen und unzufriedenen, extrem wählenden Menschen?
Es könnte einen solchen geben. In den letzten 10 bis 20 Jahren ist die Wirtschaft gewachsen, unsere Gesellschaft ist reicher als jemals zuvor. Aber mindestens die Hälfte der Bevölkerung ist davon ausgeschlossen. Wer durchschnittlich oder wenig verdient, hat heute nicht mehr Geld. Der Grund: Technologien haben viele solche Jobs vernichtet. Und wir sind als Gesellschaft oder als Unternehmer nicht kreativ genug gewesen, neue Jobs für diese Menschen zu entwickeln.
Viele von ihnen wenden sich dann der Politik zu und geben ihre Stimme den Extremen. Sie sagen damit: Es funktioniert nicht mehr, wir brauchen Veränderung. Wenn wir auf diese Stimmen nicht hören, werden immer mehr Menschen wütend werden.
Ich weiss nicht, ob Sie das beurteilen können, aber: Ist die Schweiz gut auf diese Ära der Digitalisierung und des Maschinenlernens vorbereitet?
Die Schweiz ist schon lange vorbildlich. Sie ist zu einem der reichsten Länder der Welt geworden – weil man in Ausbildung investiert, weil man Unternehmern die Freiheit gibt, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, weil man eine gute soziale Absicherung hat.
Niemand von uns kann sich zurücklehnen.
Es besteht aber keine Garantie, dass das so bleibt, wenn sich die Schweiz nicht ständig neu erfindet. Josef Schumpeter nennt das «Kreative Zerstörung». Niemand von uns kann sich zurücklehnen und aufgrund der vergangenen Erfolge auf neue mit Erfolge hoffen.
Ich denke, die Schweiz ist gut positioniert mit ihren gut ausgebildeten Arbeitskräften. Und das Land experimentiert mit so etwas wie dem Grundeinkommen. Wenn das so bleibt, hat die Schweiz eine Chance, der Revolution durch die künstliche Intelligenz standzuhalten.
Lernen Sie Fähigkeiten, über die Maschinen nicht verfügen.
Ein Twitter-User fragt: Welche essenziellen Fähigkeiten würden Sie Ihren Kindern vermitteln, um mit künstlicher Intelligenz und Maschinenlernen umgehen zu können?
Eine super Frage. Ich finde es toll, wenn sich Leute mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. Aber dieser Fachbereich ist nicht für jeden etwas. Ich würde eher raten: Lernen Sie Fähigkeiten, über die Maschinen nicht verfügen.
Das heisst: Lassen Sie die Finger von Routinejobs, in denen es nur darum geht, Information zu verarbeiten. Gehen Sie in Richtung Kreativität und Zwischenmenschliches. Es gibt sehr viele Jobs, in denen es um Motivieren, Verkaufen und Teamwork, Coaching geht und darum, sich um andere zu kümmern. Denn die meisten von uns wollen nicht, dass Maschinen diese Arbeiten übernehmen.
Und es gibt den ganzen Bereich um Kreativität, Erfindungsgeist, Wissenschaft, Unternehmertum, künstlerisches Schaffen. Auch darin sind Maschinen schlecht – und Menschen umso erfolgreicher.
Wofür würden Sie sich denn entscheiden, wenn Sie heute am Anfang Ihrer Karriere stünden?
Ich würde genau das tun, was ich mache. Ökonomen nennen das «Offenbarte Präferenzen». Wir leben in einer sehr spannenden Zeit, in der künstliche Intelligenz und Technologien die ganze Gesellschaft verändern. Und ich möchte genau an dieser Stelle sein: beobachten, was geschieht, die Technologie und die Gesellschaft verstehen und einen Einfluss darauf haben, dass dieser Wandel stattfindet.
Das Interview führte Manuela Siegert.