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Streit um Patente für Saatgut Etappensieg für kleine Züchter

Patente auf konventionelle Züchtungen von Pflanzen und Tieren soll es nicht mehr geben. Trotzdem bleiben Schlupflöcher.

Ein Getreidefeld in der Nähe des Neuenburgersees. Die fast reifen Ähren wiegen sich im Wind. Auf dieser Parzelle entwickelt der Züchter Delley zusammen mit der Bundesanstalt Agroscope neues Saatgut. Um das bestmögliche Zuchtergebnis zu erreichen, wäre es wichtig, möglichst viele Pflanzensorten zur Verfügung zu haben. Doch das wird immer schwieriger.

Konzerne wie Syngenta oder Bayer-Monsanto haben vor einigen Jahren angefangen, auch konventionelle – also gentechnikfreie – Züchtungen von Getreide, Mais oder Peperoni durch Patente gegen Konkurrenz abzuschirmen. «Zugriff auf genetisches Material ist der Motor für Pflanzenzüchtung. Wenn dieser eingeschränkt ist, bedeutet das weniger Züchtungsfortschritt bei uns», sagt Delley-Agronom Karl-Heinz Camp.

Gegen die Prinzipien

220 solcher Patente hat das Europäische Patentamt bereits erteilt – obwohl in Europa der Grundsatz gilt, dass Pflanzen und Tiere nicht patentiert werden dürfen. Dieses Prinzip wurde aber aufgeweicht. Das hat zu Kritik geführt. Auch bei Francois Meienberg von ProSpecieRara, einer Organisation mit Sitz in Basel, die sich für den Erhalt der Sortenvielfalt einsetzt.

Meienberg nennt ein Beispiel: «Syngenta hat aus einer wilden jamaikanischen Peperoni-Sorte eine Resistenz auf die weisse Fliege hinausgezüchtet und sie mittels konventionellen Züchtmethoden – also Kreuzung und Selektion – in andere Sorten hinein gezüchtet.» Mit weitreichenden Folgen: «Diese Patente betreffen dann viel mehr Sorten – zurzeit haben wir sicherlich über 600 Sorten, welche unter Patente fallen.»

Kommt hinzu: Patentinhaber legen vielfach nicht offen, welche ihrer Mais-, Getreide- oder Salat-Sorten patentgeschützt sind. Kleinere Zuchtbetriebe wie Delley oder der Bio-Samen-Züchter Sativa lassen daher lieber ganz die Finger von bestimmten Sorten. «Wenn wir sehen, dass ein Patentanspruch darauf bestehen könnte, bedeutet das für uns, dass wir diese Sorte nicht verwenden», sagt Sativa-Chef Amadeus Zschunke. Die Züchtung lohne sich sonst nicht mehr.

Wettbewerb wird gebremst

Dass bestimmte Züchtungen nicht mehr gemacht werden, bremst nicht nur die Sortenvielfalt, sondern auch den Wettbewerb: Inzwischen produzieren gerade einmal drei Agrar-Konzerne mehr als die Hälfte des weltweiten Saatguts.

Jetzt hat die Grosse Beschwerdekammer klargestellt, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere nicht mehr erteilt werden dürfen. Konzerne wie Syngenta sind enttäuscht. In einer schriftlichen Stellungnahme heisst es: Europäische Agrar-Konzerne würden dadurch von den Vorteilen des Patentschutzes ausgeschlossen, die den Ertrag des investierten Kapitals sicherten. Das benachteilige hiesige Konzerne gegenüber Konkurrenten aus Übersee, namentlich aus den USA. Dort gibt es seit Anfang der 80er-Jahre Patente auf Bakterien, Pflanzen und Tiere

Kleinere Züchter wie Sativa freuen sich dagegen über die Klarstellung. Deren Chef Zschunke sagt: «Grundsätzlich ist es sehr positiv und ein Schritt in die richtige Richtung.» Zschunke weiss aber auch, dass die Probleme damit nicht aus der Welt geschafft sind. Denn erstens gilt die Klarstellung nur für Patente, die nach dem 1. Juli 2017 eingereicht worden sind – und damit zum Beispiel nicht auf das Peperoni-Patent von Syngenta. Zweitens laufen die alten Patente noch jahrelang weiter. Die Saat für weiteren Streit ist also längst gesät.

Rendez-vous vom 3.6.2020

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