Das Wichtigste in Kürze:
- 185 Milliarden Franken liegen in strukturierten Produkten in den Kundendepots der Banken, Tendenz steigend.
- Die Margen sind für Banken sehr lukrativ.
- Jetzt steigt auch Postfinance in das Geschäft ein.
- Das Risiko tragen grösstenteils die Kunden.
In einem Tiefzinsumfeld noch ausreichend Erträge zu erwirtschaften, ist für Banken und Vermögensverwalter nicht einfach. Eine Möglichkeit bieten so genannte «strukturierte Produkte» (siehe Box). Nach der Finanzkrise hatte dieses Geschäft jahrelang stagniert. Doch in den vergangenen zwölf Monaten stieg das Volumen um fast 15 Prozent an. 185 Milliarden Franken liegen gemäss Branchenverband in den Kundendepots der Banken.
Gemessen an den gesamten verwalteten Vermögen sind das nur wenige Prozente, aber für die Banken lohnen sich solche Anlagen trotzdem, sagt Manuel Ammann, Professor für Banken und Finanzen an der Universität St. Gallen: «Für Banken sind strukturierte Produkte ein lukratives Geschäft (...), und darum haben die Banken natürlich ein gewisses Interesse, dass die Kunden solche Produkte kaufen.»
Postfinance steigt neu ein
Nebst UBS und Credit Suisse sowie der Bank Vontobel, die das Geschäft seit Jahren dominieren, steigt jetzt überraschend ein neuer Anbieter in den Markt ein: Postfinance. Die Tochter der Post leidet derzeit besonders stark unter dem Tiefzinsumfeld und ist dringend auf margenstarke Produkte angewiesen.
Der Leiter Finanzprodukte von Postfinance, Daniel Mewes, sagt zum Einstieg: «Ich würde sagen, es ist das Bedürfnis eines sehr kleinen Anteils unserer Kunden. Doch bei diesen ist die Nachfrage – das können Sie mir glauben – sehr gross».
Unauffällig hat sich in den letzten Jahren ein weiteres als traditionell bekanntes Finanzinstitut als stark wachsende Kraft im Markt mit strukturierten Produkten etabliert: die Raiffeisen-Gruppe. In den letzten drei Jahren hat die drittgrösste Bank der Schweiz ihre Volumen mit strukturierten Produkten gemäss eigenen Angaben auf 3,2 Milliarden Franken verachtfacht.
Und es soll mehr werden, sagt Paulo Brügger von Raiffeisen: «Ich könnte mir vorstellen, dass wir 2020 so irgendwo zwischen 5 bis 6 Milliarden sein könnten. Eine Verdoppelung in den nächsten drei bis fünf Jahren, das ist absolut realistisch».
Kunde kann nicht nachvollziehen, ob er überzahlt
Die Banken locken Kunden in der Regel mit hohen Zins-Zahlungen, die in Aussicht gestellt werden. Beim Produkt von Postfinance sind es jährlich 4 Prozent. Andere Anbieter liegen teilweise noch höher. Im aktuellen Tiefzinsumfeld erscheinen solche Zinszahlungen attraktiv.
Ob sich der Kunde die Zinszahlung zu einem fairen Preis erkauft, ist eine andere Frage. Denn die Zinszahlung ist an ein Risiko geknüpft. Beim neuen Produkt von Postfinance bedeutet dies: Verliert während der Laufzeit des Produkts eine der Aktien von Novartis, Roche oder Nestlé mehr als 30 Prozent an Wert, erhält der Kunde 69 Prozent oder (weniger) der Aktie zurückbezahlt. Er verliert damit einen erheblichen Teil seines Wetteinsatzes. Ein gewagtes Spiel, bei dem nur die Bank als Verkäuferin weiss, wie gut es sich rentiert.
Manuel Ammann: «Der Kunde kann in der Regel nicht nachvollziehen, ob ein strukturiertes Produkt fair bewertet ist oder er es überzahlt». Sicher ist nur: Im Geschäft mit strukturierten Produkten gewinnt die Bank (fast) immer.