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Strukturkrise der Medien Woher bloss die Millionen nehmen?

Gemeinnützige Stiftungen könnten für ausfallende Werbegelder einspringen. Doch ein Allheilmittel können sie nicht sein.

Darum geht es: Bei vielen Schweizer Medien ist Sparen ein Dauerthema. Zeitungen legen ihre überregionale Berichterstattung zusammen, die Schweizerische Depeschenagentur sda baut Stellen und Leistungen ab, in der Romandie ist das populärste Boulevardblatt, «Le Matin», am Ende. Weil ihnen die Werbeeinnahmen wegbrechen, müssen Medien nach neuen Finanzierungsquellen suchen.

In Stiftungen liegt viel Geld: In der Schweiz existieren mehr als 13'000 gemeinnützige Stiftungen. «Ihnen geht es sehr gut», sagt Beate Eckhardt, Geschäftsführerin des Verbands der Förderstiftungen, Swissfoundations. Die Stiftungsvermögen belaufen sich auf total fast 100 Milliarden Franken, davon werden pro Jahr zwei bis drei Milliarden ausgeschüttet. Meist geht das Geld an soziale, kulturelle oder karitative Projekte. Doch Geld aus Stiftungen könnte auch in den Journalismus gehen: «Da sehe ich eine grosse Chance», sagt Eckhardt.

Stiftungs- statt Werbegeld: Auch für Medienprofessor Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule ZHAW ist klar, dass die Medien angesichts der Werbeausfälle neue Unterstützungsformen brauchen: «Stiftungen hätten viel Potenzial – Potenzial, das in der Schweiz überhaupt nicht ausgeschöpft wird», ist er überzeugt. Ein paar Beispiele gibt es schon in der Schweiz: So finanzieren Stiftungen etwa den bestdotierten Schweizer Journalismus-Preis und das Jahrbuch «Qualität der Medien». Oder sie unterstützen Medien wie die Basler «TagesWoche» oder sie sponsern Wissenschaftsseiten für Tageszeitungen.

Symbolbild: Verschiedene Zeitungen auf einem Tisch.
Legende: Vom Einbruch der Werbeeinnahmen sind vor allem die Printmedien betroffen. Keystone

Internationale Vorbilder: Einen anderen Weg geht die europäische Stiftung «journalismfund». Sie hilft grosse, grenzüberschreitende Recherchen mitzufinanzieren. Dank einer so finanzierten Grossrecherche habe kürzlich eine kriminelle Bande aus der Ukraine ausgehoben werden können, sagt die dänische Journalistin und Chefin der Stiftung, Brigitte Alfter. Die Bande versprach Ukrainern gute Jobs in Westeuropa. Doch sie wurden in Tschechien als Arbeitssklaven gehalten. Dank der internationalen Kooperation von Medienschaffenden hätten die Missstände aufgedeckt werden können.

Teure Recherche-Arbeit: Die Stiftung «journalismfund» hat pro Jahr 100'000 Euro zur Verfügung, um solche Recherchen anzustossen. Sie finanziert sich teils durch öffentliche und teils durch private Gelder. Die grosse Frage sei dabei die Unabhängigkeit der Stiftung, denn die Financiers sollen die Herangehensweise an ein Thema oder die Journalisten nicht beeinflussen können. «Deshalb haben wir eine unabhängige Jury eingeschaltet», so die Dänin Alfter. Niemand wisse, wer in diesem Gremium einsitze. So könne auch niemand auf ihre Entscheide direkt Einfluss nehmen.

Möglichkeiten bleiben begrenzt: Stiftungen könnten auch in der Schweiz einen unabhängigen Journalismus fördern und so die Medienvielfalt beleben, ist Medienprofessor Wyss überzeugt. Doch auch sie könnten die Medienbranche als Ganzes nicht retten. «Wir haben wirklich eine strukturelle Krise», betont er. Stiftungen könnten nicht alle Einnahmen ersetzen, welche durch den Werbeeinbruch verloren gegangen seien. Stiftungen könnten anregen und auf Qualität hinweisen. Doch: «Das Problem der Strukturkrise ist damit nicht gelöst.»

Manche Stifter tun es schon

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Die Stifter und Stiftungen in der Schweiz wollen Gutes tun – sie investieren in Bildung, Kultur, vom Museum bis zur Jugendmusik. Doch in einem Gebiet, in dem man sich auch exponiert und angreifbar macht, wollen sie nicht investieren. Ein Stifter müsste jedoch bereit sein, dies zu tun, wenn er unabhängige Journalismus-Projekte unterstützen wollte. Jene Stiftungen, die im Medienbereich bereits tätig sind, haben meist selber einen Bezug zum Verlegertum. So etwa die Fondation Reinhardt von Graffenried – die ehemaligen Besitzer der «Berner Zeitung» – oder die Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung – die früheren Verleger der «Solothurner Zeitung». Immer öfter gründen auch Medienschaffende selber Stiftungen zur Förderung der Medienvielfalt. Dazu gehört etwa die Medienplattform «Infosperber», hinter welcher der ehemalige BZ- und «Kassensturz»-Journalist Urs P. Gasche steckt. Doch auch Stiftungen mit industriellem Hintergrund sind bereits im Medienbereich tätig. So etwa die Stiftung für Medienvielfalt der Roche-Erbin Beatrice Oeri oder die Gebert Rüf Stiftung.

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