Reto Lipp, das Swiss Economic Forum findet dieses Jahr zum 17. Mal statt. Welche Stimmung wollen Sie dort als Journalist abfangen?
Spannend wird sein, wie die KMUs fünf Monate nach dem Frankenschock die Situation einschätzen. Finden ganz im Stillen ein Stellenabbau und eine Verlagerung von Jobs ins Ausland statt? Oder herrscht trotz allem Zuversicht? Die KMU-Chefs werde ich dazu befragen.
S ie führen als Moderator durch die SEF-Spezial-Sendung und führen mehr als 20 Interviews. Auf wen sind Sie besonders gespannt?
Natürlich gibt es einige spannende Gäste, die selten in der Schweiz zu sehen sind. Etwa Rolf Pofalla, der einmal Kanzleramts-Minister von Bundeskanzlerin Merkel war und derzeit mit der Spionage-Affäre in Deutschland in Verbindung gebracht wird. Oder Ratan Tata, der legendäre Chef der Tata Group in Indien.
Ganz interessant – und das macht wohl den Charme des SEF aus – sind die vielen KMU-Chefs, die anwesend sind. Sie bilden das Schwergewicht der Schweizer Wirtschaft, kommen aber medial eher selten gross raus. Hier ist die Gelegenheit, Firmenchefs von Jura, Läderach, U-blox, Stadler Rail und vielen mehr Fragen zur aktuellen Situation zu stellen.
Kann das SEF als Event KMUs unterstützen?
Das SEF gibt den KMUs ein Podium, an dem sie auf ihre Probleme und Schwierigkeiten hinweisen können. Leider gibt es keinen Zauberstab, mit dem man die von der Währung ausgelösten Probleme zum Verschwinden bringen könnte. Die Politik kann kurzfristig wohl nur sehr wenig helfen. Letztlich kann es nur darum gehen, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die Schweiz verliert derzeit an Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Trend muss gestoppt werden.
Wie bewahren Sie Ihre Energie, um nicht an einen Anschlag während dieser zwei Tage zu kommen?
Wenn man so mitten im Trubel eines solch grossen Events ist, sorgt allein das für einen ziemlichen Adrenalin-Schub. Dazu kommen viele Tassen Kaffee, um fit zu bleiben, denn am Freitag sind wir praktisch den ganzen Tag auf Sendung. Das ist dann jeweils schon sehr intensiv – Pausen gibt es keine. Aber: Ich werde mich zwei Mal während eines Interviews zurücklehnen können.
Sie geben ihr Mikrofon in andere Hände?
Ja. Zwei Jungreporter kommen ans SEF. Das ist mein ganz persönliches Highlight. Sie haben einen Wettbewerb unseres Jugendprojekts «Mint» gewonnen und werden Interviews mit zwei CEOs grosser Schweizer Unternehmen führen: Severin Schwan von Roche und Urs Schäppi von Swisscom.
Ich bin gespannt, welche Fragen sie an die beiden Chefs haben und vor allem auch, wie die Konzernchefs auf die Jungreporter reagieren. Speisen sie sie mit Allgemeinplätzen ab? Oder sind sie lockerer und geben mehr preis? Ein interessantes Experiment. Wir strahlen es voraussichtlich am Freitag gegen 15 Uhr aus.
Und wenn Sie dann wieder an der Reihe sind: Erzählen Wirtschaftsakteure nicht immer das gleiche? Wie kitzeln Sie aus den Interview-Partnern etwas Spannendes heraus?
Die Themen verschieben sich natürlich jedes Jahr – dieses Jahr stehen die Frankenstärke und ihre Folgen für die KMUs im Vordergrund. Letztes Jahr war dies dank der Nationalbank, die den Mindestkurs hielt, kein Thema. Der Frust sitzt bei vielen KMUs-Chefs tief, die sich von der Nationalbank, aber auch der Politik allein gelassen fühlen. Viele haben sich jahrelang fit getrimmt und Opfer gebracht – nun hat sie die Abschaffung des Mindestkurses wieder stark zugeworfen. Sie müssen schon wieder Spar- und Abbau-Runden vornehmen. Für einige Firmen wird es sehr eng.
Ich hoffe, ich kann die Chefs mit meinen Fragen dazu bringen, uns die Betriebsrealität näher zu bringen oder sie auf der menschlichen Ebene abzuholen. Wer frustriert oder aufgebracht ist, der will keine PR-Sprechblasen absondern, der kommt meist zum Punkt.
A propos zum Punkt kommen. «Simplify – Meistern von Komplexität» ist das Thema des diesjährigen SEF. Man diskutiert über die Vereinfachung, organisiert Podien und Panels zum Thema und erfährt verschiedene Ansätze, wie man Komplexität meistern kann. Ist es realistisch, dass die Teilnehmenden tatsächlich etwas davon in ihre Betriebe mitnehmen?
Wie bei allen Grossanlässen kann man sich fragen, was konkret dabei rausschaut. Es sind sicher interessante Denkanstösse, die vermittelt werden – letztlich ist aber das SEF, wie auch das WEF, schlicht eine ganz grosse Networking-Plattform. Man kann sich updaten, was bei befreundeten Firmen oder Konkurrenz-Unternehmen läuft. Und nicht zuletzt werden bei jedem SEF Geschäfte angebahnt. Man kommt ins Gespräch, lernt sich kennen, und daraus entstehen dann Geschäfts-Opportunitäten.
Interview: Erik Hefti, Manuela Siegert