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Swiss Re Klimawandel wird Versicherungsprämien in die Höhe treiben

Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re hat im ersten Halbjahr eine Milliarde Dollar Gewinn gemacht. Hierbei schlagen die Hochwasserkatastrophe in Deutschland, die Unwetter in der Schweiz oder die Rekordhitze in Nordamerika noch kaum zu Buche. CEO Christian Mumenthaler erklärt die steigende Bedeutung des Klimawandels im Versicherungsgeschäft.

Christian Mumenthaler

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Christian Mumenthaler ist seit 2016 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft Swiss Re. Als Konzernchef steht er dem weltweit zweitgrössten Rückversicherungsunternehmen vor.

SRF News: Wie sehr haben die früheren Schadensereignisse die Bilanz belastet?

Christian Mumenthaler: Die Flutschäden im ersten Halbjahr machten rund 100 Millionen Dollar aus, bei Gesamtausgaben für Naturkatastrophen von ungefähr 700 Millionen. Der Unterschied geht vor allem auf die wahrscheinlich klimabedingten Stürme in Texas anfangs Jahr zurück. Die 700 Millionen entsprechen ziemlich genau dem Budget. Dazu kommen jetzt die Naturkatastrophen im Juli.

Wie gestaltet sich die aktuelle Schadensbilanz mit Blick auf die jüngsten Unwetter in Europa?

Die Höhe ist schwierig abschätzbar. Zurzeit laufen die Abklärungen der Erstversicherer. Der deutsche Versicherungsverband schätzt die Schäden für die Industrie auf 4.5 bis 5.5 Milliarden Euro. Da werden wir unseren Teil daran zahlen. Das Ereignis zusammen mit den Unruhen in Südafrika dürfte für uns einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag ergeben, was bisher im Budget liegt.

Die Corona-Pandemie war 2020 der grosse Schadentreiber. Ist aus Ihrer Sicht das Schlimmste nun vorbei?

Ja. Insgesamt haben wir bis jetzt 4.7 Milliarden Dollar Schaden gebucht. Das ist auch für die Swiss Re historisch ein Riesenschaden. Im Kampf zwischen der Menschheit und dem Virus sieht es meines Erachtens dank der Impfungen momentan relativ gut aus. Sie sind weiterhin wirksam gegen alle bisher bekannten Varianten. Das zeigt sich in England mit der heftigen Welle bei sehr wenigen Hospitalisationen und Todesfällen. Die Durchimpfung wird immer wichtiger und es stecken sich vor allem noch die Jüngeren an. Ich denke, dass die Menschheit im Moment die Oberhand hat.   

Viel Stürme und Überschwemmungen heissen für die Swiss Re mehr Schäden, dann aber auch mehr Geschäft. Profitieren Sie davon?

Das ist natürlich eine sehr zynische Sicht. In der Realität ist so, dass wir sehr viele Risiken haben, die wir gut verstehen und modellieren können. Bei verschiedenen Risiken wie etwa Erdbeben gibt es an sich ein Wachstum wegen des Wirtschaftswachstums, weil die Konzentration an Werten zunimmt. Das Klima ist ein rasch änderndes und schwer abschätzbares Risiko mit vielen Unsicherheiten. Entsprechend müssen wir jährlich die Preise anpassen, weil die Prämien letztendlich die Schäden decken müssen. Die Swiss Re hat in den letzten vier Jahren sehr stark unter den Naturkatastrophen gelitten.   

Wie lange bleiben solche Klimarisiken überhaupt noch versicherbar?

Wenn man ein Haus in einer Ebene baut, die jährlich überflutet wird, ist das nicht mehr versicherbar, weil man den Schaden schon im Voraus kennt. Wenn es nur alle hundert Jahre überflutet wird, ist es mit einem Hundertstel des Preises versicherbar. Nur jene Häuser, die völlig am falschen Ort gebaut wurden, werden nicht mehr versicherbar sein. Das Problem wird also nicht die Unversicherbarkeit sein, sondern die hohen Preise.

Wird man sich das noch leisten können?

Es wird in jeder Region und in jedem System anders sein. Die Regierungen werden sich überlegen müssen, wo sie weiterhin eine Bauerlaubnis erteilen und wie die Leute unterstützt werden, die an diesen Orten etwas haben. Das ist sicher ein richtig grosses Problem.

Das Gespräch führte Jan Baumann.

Echo der Zeit, 30.07.2021, 18 Uhr ; 

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