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Tiefere Medikamentenpreise Trump setzt Schweizer Pharmaindustrie unter Druck

US-Präsident Donald Trump setzt die Pharmaindustrie unter Druck. Nebst der neuesten Zoll-Androhung sollen die Firmen die Preise senken. 17 Grosskonzerne, darunter Novartis und Roche, sind aufgefordert, konkrete Vorschläge für Preissenkungen zu machen. Die Frist läuft am 29. September ab.

Werden die Firmen die Preise senken? Nicht ohne weitere Massnahmen. Der Novartis-Chef zum Beispiel stellte in Medienartikeln und einem Interview mit der «NZZ» die Idee in den Raum, in Europa die Preise anzuheben, um Preisreduktionen in den USA zu kompensieren.

Werden die Medikamentenpreise in der Schweiz nun steigen? Das steht nicht zur Diskussion. «Es ist nicht die Frage, ob die Firmen höhere Medikamentenpreise bekommen oder nicht», sagte Elisabeth Baume-Schneider in einem Interview mit «10 vor 10» von SRF. Für die Pharma sei es eine schwierige Zeit. «Deshalb müssen wir über die Standortpolitik für die Pharma diskutieren. Es kommt aber nicht infrage, dass eine Preiserhöhung durch die Prämienzahlenden bezahlt wird», so Baume-Schneider. Die Positionen des Bundesrats und den Firmen gehen also auseinander.

Wer entscheidet in der Schweiz eigentlich über die Preise?

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Anders als in den USA sind die Preise in der Schweiz staatlich reguliert. Die Preissetzung läuft nach einem geregelten Verfahren und nach definierten Kriterien. Letztlich entscheidet das Bundesamt für Gesundheit BAG über den Preis. Der Pharma-Lobbyverband Interpharma fordert Anpassungen in diesem System.

Warum nehmen Pharmafirmen nicht einfach weniger Umsatz in Kauf? Die Pharmafirmen betonen, dass sie hohe Forschung- und Entwicklungskosten stemmen müssen. Bis ein neues Medikament fertig entwickelt ist, dauert es rund ein Jahrzehnt und die Kosten belaufen sich auf 5.5 Milliarden Franken. Zudem ist ein Teil der Forschungskosten verloren, denn nur etwa 10 von 100 Entwicklungen schaffen es auf den Markt.

Warum bezahlen die Firmen nicht mit eigenen Gewinnen? Unter dem Strich bleiben trotz Forschungsausgaben hohe Gewinne. Die Firmen schütten einen Teil davon in Form von Dividenden aus. «Das sind Dutzende Milliarden, die dem Gesundheitssystem entzogen werden und in die Taschen der Aktionäre fliessen», sagt Beat Ringger, Buchautor und Teil der Allianz «Pharma für alle», die Reformen der Industrie fordert. Aus Sicht der Pharmaunternehmen sind Dividenden wichtig, um die Investoren bei Laune zu halten – für künftiges Geld. «Da die Medikamentenforschung sehr risikoreich ist, ist die Dividende eine notwendige Risikoprämie für unsere Anleger», schreibt Roche auf Anfrage.

Radikale Forderungen aus der Schweiz:

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Die Allianz «Pharma für alle» fordert radikale Veränderungen der Industrie, weg von patentgeschützten Entwicklungen, hin zu offenen Forschungsplattformen. «Es bräuchte gemeinnützig orientierte grosse Pharmaunternehmen, die das Spiel an den Finanzmärkten nicht mitspielen müssen», sagt Autor Beat Ringger. Dadurch wären Medikamente letztlich günstiger. Zudem würde vermehrt an heute nicht lukrativen Medikamenten wie Antibiotika geforscht werden. Der Pharmaverband Interpharma hingegen fordert keine neue Ausrichtung der Branche, aber Reformen beim Preissetzungssystem.

Weniger Dividenden – Risiken und Nebenwirkungen? Pharmaunternehmen sind börsenkotierte Aktiengesellschaften. Damit sind sie abhängig von der Entwicklung der Finanzmärkte. Roche und Novartis haben in den letzten Jahren die Dividenden erhöht. Mit dieser Praxis zu brechen, sei heikel, findet Pharma-Experte Michael Nawrath vom Finanzdienstleister Octavian. «Für die Aktionäre sind Dividenden ein Kaufgrund, und sie sind Ausdruck von Stabilität dieser Firmen», sagt er. Verliert eine Firma stark an Börsenwert, wird sie im schlimmsten Fall zum Übernahmekandidaten.

Eine Apothekerin bedient eine Kundin.
Legende: Werden Trumps Forderungen letztlich auf die Patientinnen und Patienten in der Schweiz abgewälzt? Nein, sagt der Bundesrat. Keystone/ CHRISTIAN BEUTLER

Kompromissmöglichkeiten: Die Ökonomen der Raiffeisen sehen einen Kompromiss als wahrscheinlichstes Szenario in den USA. «Pharmaunternehmen könnten anbieten, die Preise für Produkte zu senken, für die in Kürze der Patentschutz ausläuft», schreibt Raiffeisen in einer Analyse. Das wäre gemäss den Raiffeisen-Experten verkraftbar. Die Trump-Regierung könnte diesen Deal als innenpolitischen Erfolg verkaufen. Auch die Verlagerung der Produktion sei ein guter Weg, während Forschung und Entwicklung in der Schweiz bleiben.

Die USA: Ein Klumpenrisiko für die Pharma?

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Kein Einzelmarkt ist für Pharmafirmen wichtiger als die USA. Die Schweizer Firmen Roche und Novartis machen dort jeweils rund die Hälfte ihres Umsatzes; beide Firmen wollen ihre Standorte dort in den nächsten Jahren deutlich ausbauen. Gleichzeitig ist dieser US-Fokus auch ein Risiko: Sollte US-Präsident Trump wirklich Zölle auf Pharmazeutika einführen und die Preise für Medikamente radikal senken, ist ein grosser Teil des Geschäfts der Pharmafirmen in Gefahr. Hinzu kommt, dass die Debatte um die hohen Medikamentenpreise die USA nicht erst seit Trump beschäftigt. Auch unter Joe Biden hat das Land erste Schritte in Richtung Preisregulierung unternommen. Ist die Branche da sehenden Auges in ein Klumpenrisiko reingefahren?

Expertinnen und Experten relativieren: Am lukrativen US-Markt habe für die Pharmabranche praktisch kein Weg vorbeigeführt, sagt etwa Gesundheitsökonom Tilman Slembeck. «Es ist klar, dass das Management in diese Richtung geht und jetzt nicht die Handbremse anzieht, sondern dort Business macht, wo Business ist.» Allerdings müssten sie dann auch mit dem damit verbundenen Geschäftsrisiko leben, sagt Slembeck. Dass einige Firmen jetzt als Ausgleich höhere Preise in Europa fordern, sei erwartbar, «aber die Politik in Europa muss sich diesen Schuh nicht anziehen». Die Branche müsse mit solchen Veränderungen umgehen können. (Wirtschaftsredaktorin Isabel Pfaff)

Nächste Schritte: Wie die Firmen auf Trumps Forderung reagieren, geben sie nicht bekannt. Sie werden wohl, wie bei den Zoll-Drohungen, Investitionen in den Vordergrund rücken, die Arbeitsplätze und Steuergelder in die USA bringen.

Echo der Zeit, 18.9.2025, 18 Uhr;weds

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