Mario Roncoroni ist Anwalt beim Verein «Berner Schuldenberatung». In Sachen Betreibung steht er für gewöhnlich auf der Beraterseite, erklärt seinen Klientinnen und Klienten die Rechtslage. Geschockt sei er gewesen, als ihm plötzlich selbst ein Zahlungsbefehl in den Briefkasten geflattert sei. Der Schuldenberater beteuert, die Ware, die er nicht bezahlt haben soll, nie bestellt zu haben.
Was Roncoroni als Schuldenexperte nur zu gut kennt, ist ihm also selbst widerfahren: Wer in der Schweiz jemanden betreiben will, muss dem Betreibungsamt den Inhalt der Forderung nicht beweisen. Lediglich die Form muss stimmen. Der Vorschuss, den der Gläubiger leisten muss, ist gering. Und ist eine Betreibung erst einmal im Register, bleibt sie für fünf Jahre drin. Dies ist besonders ärgerlich, wenn das Geld, das gefordert wird, gar nicht geschuldet ist wie im Fall Roncoroni.
Der Eintrag im Betreibungsauszug
Wer zu Unrecht betrieben wird, konnte bis anhin nur gerichtlich dafür sorgen, dass der Eintrag im Register nicht mehr sichtbar ist. Aber ein Gang vors Gericht kostet Zeit und Geld. Eine Gesetzesänderung soll es ab dem 1. Januar einfacher machen, einen ungerechtfertigten «Tolggen im Reinheft» wieder loszuwerden. Neu können Betriebene beantragen, dass der Betreibende den Inhalt der Forderung gerichtlich beweisen muss. Dazu können sie ein Gesuch stellen und müssen nicht selber vor Gericht. Kann oder will der Gläubiger diesen Beweis nicht liefern, ist der Eintrag im Betreibungsregister für Dritte nicht mehr einsehbar.
Ohne einen reinen Betreibungsauszug ist es schwierig, eine günstige Wohnung zu bekommen, eine Kreditkarte zu bestellen oder einen Leasingvertrag abzuschliessen.
Profitieren könnten von dieser Änderung vor allem Personen, die nur einmal betrieben worden sind, sagt der emeritierte Rechtsprofessor Isaak Meier. Pro Betreibung kostet eine Löschung immerhin 40 Franken. Einmal-Betriebene dürften diese Kosten auf sich nehmen, da ein reiner Betreibungsregister-Auszug wichtig sei, um eine Wohnung zu finden oder eine Kreditkarte zu beantragen, so der Rechtsexperte. Das Betreibunsregister sei nach wie vor eines der wichtigsten Mittel der Kreditauskunft.
Jeder Vierte schon einmal betrieben
In der Schweiz ist jeder Vierte schon einmal betrieben worden. Das zeigt eine Studie des Vergleichsportals Comparis. Aktuell hat jede siebte Person einen Eintrag im Register. Überdurchschnittlich oft trifft es Personen mit tiefen Einkommen.
2017 wurden in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik knapp drei Millionen Betreibungen eingeleitet. Es ist unklar, wie viele davon ungerechtfertigt waren. Klar ist jedoch, dass die Position der Schuldner im Allgemeinen durch die Gesetzesänderung gestärkt wird.
Geringerer Aufwand für Betroffene
Für Roncoroni kommt die Änderung zu spät. Er musste vor Gericht gehen, um zu zeigen, dass er das Geld nicht schuldet.
Ich habe eine Klage eingereicht. Das Gericht hat dann festgestellt, dass das Geld nicht geschuldet ist.
Roncoroni ist seinen Eintrag los, das hat ihn Zeit, Geld und Nerven gekostet. Mit der Neuerung dürfte sich der Aufwand für Betroffene erheblich verringern.