Während sich Nachfolger Ralph Hamers einarbeitet, hat der noch amtierende UBS-Konzernchef Sergio Ermotti Zeit für Interviews. Beginnen wir mit den jüngsten Gerüchten. Es heisst, die UBS prüfe, mit der Credit Suisse oder einer anderen grossen Konkurrentin in Europa zusammenzugehen – in einer Megafusion.
Sergio Ermotti lehnt sich zurück und holt aus: «Innerhalb Europas – inklusive der Schweiz – gibt es heutzutage zu wenig Banken in der Topliga. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Situation stark verändert. Das entspricht nicht der Stärke Europas in der Weltwirtschaft.»
Innerhalb Europas – inklusive der Schweiz – gibt es heutzutage zu wenig Banken in der Topliga.
So gesehen mache eine Bereinigung in der europäischen Bankenlandschaft Sinn, sagt Ermotti. Aber die UBS sei kerngesund, schreibe gute Gewinne und habe keinen Handlungsdruck: «Die UBS ist heute strategisch und finanziell sehr stark positioniert, aber auch im Sinne der Wettbewerbsposition. Die UBS hat viele Möglichkeiten, weiterhin zu wachsen.»
Die Frage stellt sich trotzdem: Welche Rolle könnte die UBS bei einer Fusionswelle spielen, in einer sogenannten Konsolidierung? Ermotti sagt dazu: «Klar, wenn die Konsolidierung stattfindet, geht es nicht nur darum, was eine einzelne Bank macht, sondern auch, was die Wettbewerber machen. In diesem Sinne halten wir uns alle Optionen offen.» Er kommentiere aber nicht, was die Bank in der Zukunft mache, weil er die UBS ja verlasse.
Wir halten uns alle Optionen offen.
Ein Anfang mit vielen Baustellen
Der scheidende Konzernchef würde wohl kaum so gelassen über das Thema plaudern, stünde eine Fusion der UBS unmittelbar bevor. Aber genug mit Spekulationen. Blicken wir zurück.
2011 trat Sergio Ermotti im Alter von 51 den Posten des UBS-Chefs an. Damals war die Erinnerung an die Nahtod-Erfahrung der UBS noch frisch, die auf dem Höhepunkt der Finanzkrise mit staatlicher Hilfe gerettet worden war.
Weniger Investmentbanking, mehr Vermögensverwaltung
Ermotti musste die Bank wieder auf Kurs bringen. Er verkleinerte das riskante Investmentbanking. Er richtete die UBS als globale Vermögenverwaltungsbank neu aus – mit einer starken Präsenz im Heimmarkt Schweiz.
Die UBS stärkte ihre Kapitalbasis, um weniger krisenanfällig zu werden. Sie machte sich daran, Altlasten und Rechtsstreitigkeiten zu bewältigen, was viel Geld kostete. Ausserdem musste das Management das Vertrauen in die Bank zurückgewinnen – bei der Kundschaft, bei den Investoren und in der Politik. Keine leichte Aufgabe.
Schwierige Zeiten mit viel negativer Energie
«Das waren schwierige Zeiten mit sehr viel negativer Energie in der Bank. Mit der Zeit haben wir wieder positive Energie geschaffen. Insofern haben schon nach einigen Jahren viele in den Medien und vor allem in der Industrie den anderen Banken gesagt, sie sollten es à la UBS machen.»
Darauf ist Ermotti stolz. Was ihm jedoch nicht gelang: Den Aktienkurs markant und nachhaltig zu steigern. Zwar schneiden die Aktien im Vergleich zur direkten Konkurrenz gut ab. Dennoch ist der Kursverlauf enttäuschend.
Aktienkurs und vergessliche Aktionäre
Ermotti räumt ein, dass er sich das anders gewünscht hätte. Doch gleichzeitig stellt er fest: «Die UBS-Aktie ist heute fast gleich wie in der Zeit, als ich angefangen habe. Was sich in den letzten neun Jahren geändert hat, will ich in Zahlen ausdrücken: Wir haben 35 Milliarden Gewinne gemacht. Wir haben 18 Milliarden an Dividenden an die Aktionäre zurückgezahlt. Wir mussten zwölf Milliarden für Altlasten bezahlen. Wir haben die Risiken reduziert und das Kapital verbessert.»
Mit der Aufzählung bringt Ermotti zum Ausdruck, was sich im Aktienkurs nicht oder nur unvollständig spiegelt. Manche Aktionäre hätten ein kurzes Gedächtnis, fügt er an: «Was einkassiert worden ist, ist vergessen.»
Manche Aktionäre haben ein kurzes Gedächtnis. Was einkassiert worden ist, ist vergessen.
Der bestbezahlte Banker
Was das Einkassieren betrifft – wie lassen sich Jahressaläre in zweistelliger Millionenhöhe für Top-Banker begründen? Ermotti sagt dazu: «Ich habe von Anfang an immer nur das gemacht, was mich erfüllt hat. Die Vergütung war eine Konsequenz meines Jobs. Meine Priorität war immer: Werde ich gleich bezahlt wie die Kollegen oder die Wettbewerber, die das Gleiche machen.»
Dies sagt der Mann, der erst kürzlich wieder aus einer Studie über Spitzenverdiener als Europas bestbezahlter Banker hervorgegangen ist.