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Und woher kommt der Strom? Ein Tag im Elektroauto

Mit dem E-Golf am Start: Meine Reise beginnt bei einer Autovermietung in Zürich, wo ich einen weissen VW E-Golf abhole. Er sieht aus wie ein normaler Golf, einfach ohne Auspuff und anstelle eines Tankdeckels gibt es einen Stromanschluss. Ein Mitarbeiter erklärt mir den Ladevorgang, und schon kann es losgehen.

Gut informiert: Das Display zeigt mir eine vollgeladene Batterie und gibt die Reichweite mit 270 Kilometern an. Damit sollte ich laut meinen Berechnungen knapp die Strecke von Zürich-Bern retour schaffen. «Achtung, die Route enthält verkehrsbedingte Verzögerungen von fünf Minuten», tönt es aus dem Navigationsgerät. Bald schon wird mir bewusst: Das hohe Tempo auf der Autobahn und die Heizung – das braucht zusätzlichen Strom. Als mich der Golf kurz vor Bern warnt, dass noch Strom für 50 Kilometer übrig sei, fahre ich sicherheitshalber bei der Autobahnraststätte Grauholz raus an eine Ladestation.

Auftanken im Grauholz
Legende: Auftanken im Grauholz: Ein bisschen Know-how kann nicht schaden. SRF/Andi Lüscher

Mein erster Ladeversuch: Etwas hilflos betrachte ich die Ladesäule, ein Kasten so gross und breit wie ich, mit drei unterschiedlichen Ladekabeln und einem Bildschirm. Neben mir hat inzwischen ein weiterer Elektroauto-Fahrer parkiert. Es ist Daniel Kronenberg aus Eschenbach im Kanton Luzern. Auch er hatte zu Beginn mit denselben Tücken zu kämpfen: «Zuerst die Ladestation zu finden, wo einstecken, wie und wo bezahlen. Hat es ein Kabel oder muss ich das eigene Kabel gebrauchen?» Mein erster Ladeversuch geht prompt schief. Erst nach einer Stunde kann ich meine Fahrt fortsetzen. Gekostet hat mich das 20 Franken, was sich im Nachhinein als teuer herausstellt.

Display.
Legende: Bern: Gerüstet für die Herausforderungen der Rückfahrt. SRF/Andi Lüscher

Das Versprechen: Mein nächster Stopp auf der Rückfahrt ist bei der ABB in Baden, die solche Schnellladestationen herstellt. Schweiz-Chef Remo Lütolf lässt mich an der firmeneigenen Ladestation andocken. Einer Schnellladestation mit 50 Kilowatt Leistung Gleichstrom sei der momentane Standard für Schnellladung auf dem Markt. Er verspricht mir: «Die Entwicklung geht natürlich weiter und man wird dereinst 100 Kilometer in wenigen Minuten laden können.»

Das aktuelle Ladeangebot: Auch die Antriebsbatterien werden leistungsfähiger, so dass Elektroautos immer weiterkommen. Und falls es doch nicht bis zum Ziel reicht, steht bereits heute ein dichtes Netz an Ladestationen zu Verfügung. An Autobahnraststätten, bei Hotels und Einkaufszentren und anderen Verkehrsknotenpunkten. Es sind spezifische Geschäfte, die sich neu auf Raststätten und Parkplätzen etabliert haben. Elektrotankstellen sind ihr Geschäft, wie Lütolf erklärt. Laut Schätzungen gibt es in der Schweiz etwa 150 öffentliche Schnellladestationen und rund 3000 etwas langsamere. Der Bund fördert den Bau von zusätzlichen Stationen auf Autobahnrastplätzen.

Tankstelle.
Legende: Über 3000 Stromladestationen gibt es heute in der Schweiz. Die «Schnellen» sind noch dünn gesät. SRF/Andi Lüscher

Die Stromproduzenten sind bereit: Mich zieht es weiter zum «Fressbalken» bei der Raststätte Würenlos. Hier wartet Peter Arnet auf mich, verantwortlich für die Sparte Elektromobilität bei Alpiq. Der Stromkonzern tritt als Generalunternehmen auf, das solche Ladestationen plant, installiert und wartet. «Einerseits muss man den Strom vor Ort bringen. Je grösser die Anlage, desto mehr Power braucht sie», erklärt Arnet. Meist komme der Strom von der Hochspannungsleitung auf eine Trafostation und dann mit Kabeln zu den Ladestationen.

 Peter Arnet.
Legende: Peter Arnet von Alpiq: «Autoindustrie und Politik setzen voll auf Elektro.» SRF/Andi Lüscher

Eine ehrgeizige Prognose: Der Bau kann schnell einmal einige hunderttausend Franken kosten. Ob sich diese Investition lohnt, frage ich mich – bei aktuell gerade einmal 15'000 Elektro-Autofahrern. Langfristig zahle sich das aus, ist Arnet überzeugt: Autoindustrie und Politik setzten voll auf Elektro. In sieben Jahren werde in der Schweiz schon jedes vierte verkaufte Auto ein Stromer sein.

«Hirnschmalz»: Herausforderungen sieht Experte Arnet vor allem beim Strommanagement zuhause, wo die meisten Autos aufgeladen werden – wenn dereinst alle zusammen am Abend nach Hause kommen und ihre Fahrzeuge anschliessen. «Alpiq investierte bereits viel Hirnschmalz zur Frage, wie man diese Ladestationen managen kann.»

Die Rechnung der Benzinverkäufer: Während des Gesprächs frage ich mich, wie wohl die klassischen Tankstellenbetreiber auf all diese Entwicklungen reagieren. Ich mache mich darum auf nach Zug zu Isabelle Thommen, Mediensprecherin von BP Schweiz. Sie sieht die Ölbranche nicht in Gefahr: «Die BP-Gruppe ist der Meinung, dass im Jahr 2040 bereits 15 Prozent der Fahrzeuge elektrisch betrieben werden. Das heisst aber auch, dass immer noch 85 Prozent traditionelle Antriebsmotoren haben werden.» Darum habe BP in der Schweiz bisher kaum in Ladestationen investiert, da sich deren Technologie noch laufend verändere.

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Legende: SRF/Andi Lüscher

Mein Fazit: Mit vielen Eindrücken fahre ich zurück zur Autovermietung. Der Tag hat mir gezeigt: Elektroautos können die Zukunft sein. Zuerst muss es aber Fortschritte geben. Will heissen: leistungsfähigere Batterien, kürzere Ladezeiten und einfachere Bezahlsysteme. Erst dann wird sich die breite Masse dafür begeistern.

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