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Unternehmens-Strategien Kaffeemaschinen-Herstellerin Jura schwört auf Globalisierung

Globale Lieferketten sind gestört. Ökonomen raten zur Diversifizierung. Die Firma Jura ignoriert diesen Rat bewusst.

Die Pandemie hat die globalen Lieferketten gleich mehrfach strapaziert. Das setzt den Unternehmen zu. Ökonomen raten den Unternehmen denn auch: «Wappnet euch für eine nächste Krise – diversifiziert eure Lieferketten!»

Ein Rat, den einige Unternehmen in den Wind schlagen. Aus Überzeugung. So etwa auch die Kaffeeautomaten-Herstellerin Jura. Denn Krisen gehören zum Geschäft, ob Pandemie, Finanzkrise oder Dotcom-Blase. Das weiss Emanuel Probst aus eigener Erfahrung. Er ist seit dreissig Jahren Chef des Kaffeeautomaten-Herstellers Jura.

Es ist wichtig, wenn es gut läuft und wenn es einem gut geht, die Kornkammer anzulegen.
Autor: Emanuel Probst CEO, Jura

«Deshalb ist ganz wichtig, wenn es gut läuft und wenn es einem gut geht, die Kornkammer anzulegen.» Probst meint damit zum Beispiel das Warenlager. Das müsse gut gefüllt sein, um allfällige Lieferengpässe überbrücken zu können. Aber auch finanziell gelte es vorzukehren. «Das heisst eine starke Bilanz, cash-mässig gut dazustehen. Damit man nicht sofort Panik hat.»

Diese Strategie muss sich ein Unternehmen aber auch leisten können. Denn «Kornkammern anzulegen» kostet. Probst kommt zugute, dass Jura als privates Unternehmen weniger stark dem Druck von Aktionären und Investorinnen ausgesetzt ist als beispielsweise ein börsenkotierter Konzern. Dort ist der Druck, Rendite und Dividende zu steigern, grösser. 

Das Ende der Globalisierung – oder doch nicht?

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Die beste Zeit hatte die Globalisierung in den 90er- und Nuller-Jahren: Da habe sich unser Leben rasant globalisiert, sagt Jan-Egbert Sturm, der Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Jetzt sei die Luft draussen, bereits vor der Pandemie.

Das heisse jedoch nicht, dass man weniger Handel treiben werde. «Wir haben in der Pandemie gelernt, dass es wichtig ist, dass man nicht nur auf einen Partner setzt. Wenn sich das durchsetzt, werden wir uns künftig wohl an mehreren Partnern in der Lieferkette zu orientieren versuchen. Das könnte auch den gegenteiligen Effekt haben.»

Denn Globalisierung ist mehr als nur der Handel mit Waren. Dazu gehören auch Dienstleistungen, gesellschaftliche und politische Verflechtungen. Und politisch harze es derzeit, sagt Sturm, und verweist auf den Streit zwischen den USA und China. Von einer Deglobalisierung zu sprechen, ginge ihm aber zu weit.

Was die Lieferkette betrifft, geht Jura ebenfalls einen atypischen Weg. Das Unternehmen setzt auf einen zentralen Produzenten. Jura entwickelt seine Kaffeevollautomaten, lässt sie dann bei diesem einen Partner extern produzieren, und übernimmt Verkauf und Marketing der Geräte wieder selbst.

Die Fabrikation in die Hände eines einzigen Zulieferers zu legen, kann riskant sein. Das zeigt sich aktuell eindrücklich in der Autoindustrie. Viele Autohersteller leiden unter einem akuten Chip-Mangel. Jetzt noch auf neue Lieferanten umzuschwenken, die einspringen, ist fast nicht möglich, weil es nur wenige Anbieter gibt. 

(De)Globalisierung während der Pandemie

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Die Pandemie habe zahlreiche Entwicklungen, die schon am Laufen gewesen seien, beschleunigt, sagt Ian Goldin, Starökonom der Universität Oxford. So auch das Umdenken bei Unternehmen. So würden arbeitsintensive Tätigkeiten dank stark automatisierter Prozesse wieder vermehrt in Hochlohnländer geholt.

Darüber hinaus sieht Goldin weitere Abschottungstendenzen seit Ausbruch der Pandemie. Als am Anfang in westlichen Ländern Hygienemasken und Schutzanzüge fehlten, wurde der Ruf nach einer lokalen Produktion laut. Dieser Kampf um Produktionskapazitäten hat sich nun zu den Covid-Impfstoffen verschoben. Viele Länder bauen eigene Produktionskapazitäten auf.

Doch das betreffe nicht einmal ein Prozent des gesamten Welthandels. Zu wenig um gleich von Deglobalisierung zu sprechen. Goldin ist überzeugt: Die Globalisierung habe jüngst gar zugenommen. Er verweist auf die digitale Globalisierung.

Theoretisch könnte auch der Produktionspartner von Jura unverhofft ausfallen. Dennoch will Firmenchef Probst nicht vorsorglich weitere Lieferanten an Bord holen, wie das verschiedene Ökonomen so manch einem Unternehmen derzeit raten.

Man will gewinnen, man baut Strategien auf, man entwickelt gemeinsames Know-how. Und das wollen wir mit anderen nicht teilen.
Autor: Emanuel Probst CEO, Jura

Denn: «Die Wertschöpfungskette muss man anschauen, als ob man gemeinsam wie ein Fussballteam spielt. Man will gewinnen, man baut Strategien auf, man entwickelt gemeinsames Know-how. Und das wollen wir mit anderen nicht teilen.»

Bisher ist Jura gut gefahren mit dieser Strategie. Das Unternehmen wächst rasant, die teuren Kaffeevollautomaten sind in privaten Küchen weltweit gefragt. Und wenn es beim Lieferanten mal klemmen sollte, hofft Firmenchef Probst, dass der Griff in die gut gefüllte «Kornkammer» hilft.

Rendez-vous, 11.10.2021, 12:30 Uhr

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