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Urteil im Raiffeisen-Prozess Ein Firmenchef kann nicht schalten und walten, wie es ihm beliebt

Tricksereien, Gemauschel und Betrügereien in der Wirtschaftswelt sind strafbar. Das ist das Verdikt des Bezirksgerichts in Zürich. Das Urteil gegen den ehemaligen Starbanker der Raiffeisen-Gruppe, Pierin Vincenz, ist hart: 3 Jahre und 9 Monate Gefängnis. Der zweite Hauptangeklagte Beat Stocker muss 4 Jahre ins Gefängnis. Das ist mehr als erwartet worden ist.

Liste der Vergehen ist lang

Die beiden Hauptangeklagten werden zwar vom schwersten Vorwurf freigesprochen – dem gewerbsmässigen Betrug. Laut Gericht gibt es kein systematisches Betrugssystem.

Aber: Die Summe der übrigen Vergehen ist aus Sicht des Gerichts so gross, dass die beiden Hauptangeklagten zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Mehrfache Veruntreuung, mehrfache Urkundenfälschung, Betrug, mehrfach passive Privatbestechung und mehrfache qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung – die Liste ist lang.

Grundsätzlich stellt das Gericht fest, dass Pierin Vincenz seine Vertrauensposition als Chef der Raiffeisen-Gruppe missbraucht habe. Die Besuche in den verschiedenen Nachtclubs und etliche Reisen privater Natur seien nicht im Interesse der Bank gewesen.

Gewaltige finanzielle Forderungen kommen auf Vincenz zu

Das Urteil hat für die Verurteilten finanzielle Folgen. So muss Pierin Vincenz im Zusammenhang mit der Firmenübernahme von Commtrain 1.3 Millionen Franken an Raiffeisen zurückerstatten – sowie über 300'000 Franken im Zusammenhang mit den ungerechtfertigt über die Bank abgerechneten Spesen.

Der grössere Brocken sind die noch ausstehenden Forderungen, mit welchen sich die Zivilgerichte auseinandersetzen werden – es geht um Forderungen von mehreren Dutzend Millionen an die Adresse von Pierin Vincenz und Beat Stocker.

Konsequenzen fehlender Transparenz

Die Lehren aus dem Fall sind, dass ein Firmenchef nicht schalten und walten kann, wie es ihm beliebt. Heimliche Absprachen, die zu privaten Gewinnen führen, müssen offengelegt werden. Und: Interessenskonflikte wie im Fall von Beat Stocker können strafbar sein. Er hatte eine Doppelrolle als Berater und Investor inne. 

Wenn jemand bei einem Geschäft auf der einen Seite als Käufer auftritt und auf der anderen Seite als verdeckter Teilhaber, dann kann dies bestraft werden – falls die Beteiligungsverhältnisse nicht offengelegt werden. Dies zeigt das Urteil. Beat Stocker sei der Frontmann gewesen, jener der aktiver gewesen sei und die höheren Gewinne einsteckte. Pierin Vincenz wiederum hielt sich laut Gericht im Hintergrund. Diese Geschäfte im Dunkeln werden dem ehemaligen Starbanker der Schweiz zum Verhängnis.

Das Urteil wird weitergezogen an die nächste Instanz – das Tauziehen geht also weiter.

Manuel Rentsch

Wirtschaftsredaktor

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Manuel Rentsch ist Wirtschaftsredaktor bei Radio SRF. Zu hören ist er oft in der Sendung SRF 3 Wirtschaft.

SRF 4 News, 13.04.2022, 09:00 Uhr

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