Klimawandel, Krieg und KI-Apokalypse: Es gibt Grund genug, pessimistisch in die Zukunft zu schauen. Angst vor der Zukunft hat oft mit Ohnmacht zu tun: dem Gefühl, man könne nichts dagegen ausrichten.
Wenn man viel hat, dann ist die Zukunft vielleicht ein bisschen leer.
Besonders pessimistisch seien reiche Menschen, sagt die Politikwissenschafterin und Zukunftsforscherin Florence Gaub diese Woche vor geladenen Unternehmerinnen und Unternehmern am Swiss Economic Forum (SEF) in Interlaken.
«Je mehr man verdient, desto pessimistischer ist man», so Gaub. «Das ist ein Paradox, aber es deutet wohl darauf hin, dass wenn man schon viel hat, die Zukunft dann vielleicht ein bisschen leer ist.»
Reiche wüssten oft gar nicht, was sie noch zusätzlich haben könnten, fügt Gaub an. Damit verbunden seien grosse Verlustängste: dass man verlieren könne, was man schon erreicht habe, sagt die Zukunftsforscherin.
Und was sagen die potenziell Betroffenen? Natalie Spross, Zürcher Bau- und Gartenunternehmerin in fünfter Generation, glaubt, Zukunftsängste der Reichen hätten wohl mit der Angst vor Machtverlust zu tun.
«Die Frage ist: Wie definiere ich mich als Mensch: über Job und Geld? Oder habe ich in meinem Leben auch noch anderes, was ich geniessen kann? Ist es schlimm, wenn ich meinen Porsche nicht mehr habe? Oder meine Machtposition? Oder kann ich trotzdem ein schönes Leben führen?», sagt Natalie Spross.
Glücklich ist, wer gestalten kann
Weniger pessimistisch sei, wer reich ist und glaube, er habe sein Glück selbst in der Hand, sagt Zukunftsforscherin Florence Gaub. Am Unternehmerinnen- und Unternehmertreffen SEF ist dieser Typ Mensch verbreitet.
Wenn man verändert und gestaltet, braucht man keine Angst vor der Zukunft zu haben.
Zum Beispiel Marc Fielmann, Brillenunternehmer aus Deutschland, mit einem geschätzten Vermögen von 2.5 Milliarden Franken. «Man muss sich nicht fragen, wo man ist, sondern, wo man hin möchte. Und wenn man verändert und gestaltet, braucht man keine Angst vor der Zukunft zu haben.»
Die Schweizer Investorin und Philanthropin Carolina Müller-Möhl sagt am Rande des SEF, sie habe keine Zukunftsangst. «Ich stehe jeden Morgen mit der Meinung auf, dass ich etwas verändern kann. In einer direkten Demokratie wie in der Schweiz kann ich über fast alles abstimmen und kann auch sonst etwas ändern.»
Wer hat wirklich Grund zu Pessimismus?
Angesprochen auf Florence Gaubs Aussagen finden sich am SEF weitere Einwände. Matthias Werder, Verwaltungsratspräsident der Gebrüder Meier Holding sagt, weniger Vermögende müssten ihre Arbeitskraft gegen Lohn verkaufen, seien durch Künstliche Intelligenz gefährdet und hätten mehr Grund für Pessimismus. »Die Betroffenen haben Stress. Jemand, der ein Vermögen hat, kann es auf verschiedene Töpfe aufteilen und davon profitieren, dass KI Wertschöpfung generiert.»
Anleitung zum Handeln
Generell sieht die Zukunftsforscherin Grund für Optimismus für die Zukunft. Doch mit Hoffnung alleine sei es nicht getan. Ob Klimawandel, Verteidigungspolitik oder Handelskrieg: Wir wüssten eigentlich, was die Lösungen für diese Probleme sind. «Je mehr man weiss, was man dagegen tun kann, desto optimistischer ist man auch.»
Ob die Zukunftsängste der Reichen in der Schweiz im weltweiten Vergleich hoch sind, darf bezweifelt werden. Das Land gilt gemäss Studien noch immer als eines der Glücklichen, mit einer hohen Lebenszufriedenheit. Doch als Anleitung zum Handeln in unsicheren Zeiten fallen die Befunde der Glücksforscherin wohl auf fruchtbaren Boden.