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Philip Jennings
Legende: Der Gewerkschafter Philip Jennings möchte das WEF nutzen, um die globale Vermögensverteilung anzusprechen. Imago

Verteilung von Vermögen «Wenn wir weiter machen wie bisher, verschlechtert sich die Lage»

Wenn Politik und Wirtschaft am WEF in Davos aufeinander treffen, müssten auch die Stimmen der Arbeiter und sozial Schwächeren gehört werden. Das wünscht sich Gewerkschaftsführer Philip Jennings im Gespräch.

SRF News: Sie gehen mit der globalen Wirtschaft hart ins Gericht. Was kritisieren Sie genau?

Philip Jennings: Wenn wir weiter so machen wie bisher, wird sich die Lage verschlechtern. Vermögen wird auf der Welt geschaffen, doch die Menschen auf der Strasse sehen nichts davon. Wir sind in einer Krise der Vermögensverteilung und der Einkommensverteilung. Die fragmentierte Welt, wie wir sie heute sehen, ist die Welt der Arbeit. Ansprechende Jobs fehlen, die Löhne reichen häufig nicht mehr aus.

Was geht denn für Sie genau schief?

Regierungen sehen diese Probleme nicht als Priorität. Warum nicht mal sagen: «People first»? Es braucht kein Wunderheilmittel gegen Ungleichheit: Länder können ihre Steuerpraktiken, ihre Wirtschaftspolitik, ihre sozialen Prioritäten anpassen. Und sie können die Verhandlungsautorität wieder den Menschen zurückgeben.

Warum nicht mal sagen: ‹People first›?

Die Schweiz ist da eine Ausnahme, Kollektivverhandlungen kommen hier wieder zurück. Ich sprach letzte Woche mit einem Schweizer Partner von uns, welcher gerade zwei neue Gesamtarbeitsverträge aushandeln konnte. Gibt man den Arbeitern die Möglichkeit, zu verhandeln, und überprüft man, dass die Verträge eingehalten werden, ist man auf dem Weg nach vorne.

Sie sprechen die Länder an, doch was können die Unternehmen tun?

Konzerne müssen ein neues Ziel finden neben dem «shareholder value», dem Unternehmenswert. Investitionsentscheidungen und Anstellungsverhältnisse werden vom Unternehmenswert erstickt. Dieser Fokus auf Einnahmen und kurze Laufzeiten ist nicht nachhaltig, er führt zu einer zerrütteten Welt. Er ist unfair und funktioniert nicht.

Ich hoffe, Unternehmer hören auf die aktuellen Studien des WEF, die auch verantwortungsvolles Wachstum berücksichtigen.

Wer heute ein globales Unternehmen führt, kann ein positives Beispiel für seine Mitarbeiter setzen.

Am WEF tummeln sich zahlreiche Unternehmer und Verwaltungsräte. Welche Massnahmen können sie ergreifen?

Sie können ein Vorbild sein. Wer heute ein globales Unternehmen führt, kann ein positives Beispiel für seine Mitarbeiter setzen. Respektiere die Rechte aller deiner Mitarbeiter, fördere die Geschlechtergleichheit, arbeite mit globalen Organisationen und NGO zusammen. Ein Unternehmer muss eine Position beziehen: für die Firma, für seine Angestellten, für den Planeten.

Solche Sätze hört man konstant hier am WEF. Wird darüber geredet – und dann wird es wieder vergessen?

Das Element spielt immer mit. Wenn wir hier als Arbeiterbewegung kommen und über Krisen sprechen, stecken dann viele den Kopf in den Sand? Ja! Aber wir haben die Möglichkeit, andere Ansichten aufzuzeigen.

Philip Jennings

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Philip Jennings ist der Generalsekretär von UNI Global Union, einem weltweiten Gewerkschafts-Dachverband, dem auch die Unia angehört. Der Ökonom aus Wales leitet den Verband seit seiner Gründung im Jahr 2000.

Was hält WEF-Gründer Klaus Schwab davon, wenn er Sie hört? Wird er wütend?

Was frustrierend ist: das WEF hat die wichtigsten Risiken der Globalisierung erkannt. Es thematisiert sie jedes Jahr wieder, die Warnungen sind hörbar. Wer sie hört und ignoriert, muss mit den Konsequenzen leben. Wir wissen, dass wir soziale und klimatische Probleme haben, dass es Spannungen in der Geopolitik gibt. Das WEF zeigt das alles vor – hoffentlich hören die Menschen die Botschaft.

Das WEF hat die wichtigsten Risiken der Globalisierung erkannt.

Und dennoch nimmt die Armut auf der Welt ab, heute gibt es weniger arme Menschen als vor einigen Jahren.

Wir erkennen, dass es eine Verbesserung gibt, aber machen Sie sich nichts vor: die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung arbeitet in unsicheren Verhältnissen ohne Vertrag. 800 Millionen Menschen müssen mit wenigen Dollars am Tag auskommen. Wir arbeiten an einer Auslöschung der Armut und wir kennen die dafür notwendigen Mittel. Nun ist es eine Frage der Macht – und die Machtverhältnisse sind falsch verteilt.

All das klingt sehr negativ. Welche Zeichen stimmen Sie positiv?

Sie haben mir ja auch Fragen gestellt, die realistische Antworten benötigen! Die technologische Revolution, die im Gange ist, wie wir heute miteinander verbunden sind, das sind positive Effekte. Wir können eine neue Welt vor uns sehen. Doch gleichzeitig müssen wir uns fragen, wie wir sicherstellen können, dass der Mensch im Mittelpunkt dieser Revolution steht. Vor dieser Herausforderung stehen wir.

Das Gespräch führte Tobias Bossard.

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