In der Regel brauchen die Aktionärinnen und Aktionäre Sitzleder: Denn Generalversammlungen von Grossbanken können gut und gerne mehrere Stunden dauern.
Wenn die Konzernspitze auf ihre Anteilseigner trifft, gehört eine «Chropfleerete» alljährlich dazu. Bei der CS hätte zweifellos ein Thema dominiert: die Beschattungsaffäre rund um die beiden ehemaligen CS-Top-Banker Iqbal Khan und Peter Goerke. Monatelang hatten Enthüllungen, Mutmassungen, Dementis, Untersuchungsberichte und Management-Wechsel für süffisante Schlagzeilen gesorgt. Das Image der zweitgrössten Schweizer Bank nahm Schaden.
«Chropfleerete» fällt Corona zum Opfer
Verwaltungsratspräsident Urs Rohner hatte sich eisern hinter seinen Konzernchef Tidjane Thiam gestellt, bis dieser im Februar dann doch nicht mehr tragbar war und den Hut nahm. Dafür hätte Rohner sicherlich Kritik geerntet. Doch die «Chropfleerete» blieb aus: An der virtuell durchgeführten GV waren keine Wortmeldungen zugelassen.
Rohner selber machte in seiner Ansprache, die per Webcast übertragen wurde, schon fast krampfhaft einen Bogen um die unsägliche Geschichte, obwohl sie seinen Aktionärinnen und Aktionären beim Zuschauen zuhause vor den Computern wohl am meisten unter den Nägeln brannte.
VR-Präsident meidet Thema – kassiert Ohrfeige
Der Präsident tippte die Affäre nur äusserst knapp an: «Vergangenes Jahr haben uns auch einige personelle Angelegenheiten beschäftigt. Infolge des Rücktritts von Tidjane Thiam als CEO ernannte der Verwaltungsrat im Februar 2020 Thomas Gottstein zum neuen CEO der Gruppe.» Mehr sagte Rohner dazu nicht.
Das unrühmliche Verhalten der CS-Spitze beim Beschatten von ehemaligen Top-Managern hinterliess dennoch Spuren an der GV. Am deutlichsten zeigte sich das bei der Wiederwahl von Urs Rohner: Nur knapp 78 Prozent der Aktionäre wählten ihn wieder; in den Vorjahren waren es mit jeweils rund 90 Prozent deutlich mehr.
Das kommt einer Ohrfeige gleich. Und das bei der Wahl zu seinem letzten Amtsjahr an der Spitze der CS. Denn im nächsten Jahr wird er aufgrund einer Amtszeitbeschränkung, die er selber eingeführt hat, zurücktreten.
Rohner dankt
Ganz zum Schluss der virtuellen GV sprach Rohner den Ärger seiner Anteilseigner dann doch noch einmal an. An seine virtuell zugeschalteten Aktionäre sagte er: «Ich danke Ihnen auch ganz speziell dafür, dass trotz der teilweisen Turbulenzen in den vergangenen Monaten alle Anträge des Verwaltungsrates mit klaren Mehrheiten angenommen wurden.»
Nach gerade einmal einer Stunde war der Spuk vorbei. Ohne Publikum. Ohne Voten. Ohne obligates Buffet im Anschluss. Gelebte Aktionärsdemokratie sieht anders aus.