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Vom Goldesel zum Sorgenkind Was würde eine Post ohne Postfinance bedeuten?

Die Post steht vor grossen Herausforderungen. Eine ist die Frage um eine mögliche Privatisierung der Postfinance.

Die Postfinance ist vom Goldesel zum Sorgenkind geworden. Letztes Jahr trug sie nicht einmal 280 Millionen Franken zum Gesamtgewinn des Mutterhauses Post bei. Vor 10 Jahren war es noch mehr als doppelt so viel gewesen.

Besonders zu schaffen machen der Postfinance seit einigen Jahren die tiefen Zinsen. Wenn die Postfinance Geld am Kapitalmarkt anlegt, zum Beispiel in Form von Obligationen, wirft das kaum noch Gewinne ab. Und anders als andere Banken kann die Postfinance keine Kredite vergeben, und so Geld verdienen.

Doch der Bundesrat möchte das der Postbank künftig erlauben, und sie dazu privatisieren. Ob das die richtige Lösung sei, müsse die Politik entscheiden, nicht er. Das sagt Postchef Roberto Cirillo. «Die Post hat eigentlich kein Recht, zu sagen, ob die Postfinance privatisiert werden muss oder nicht. Für uns ist fundamental, dass, wer immer diese Entscheidung trifft, versteht, was die Konsequenzen einer Privatisierung sind.»

So könnte eine privatisierte Postfinance nicht mehr mithelfen, die defizitären Poststellen zu finanzieren, sagt Roberto Cirillo. Bei einer Privatisierung müsste sich die Politik deshalb überlegen, ob sie den Grundversorgungsauftrag anpassen will.

Heute steht im Grundversorgungsauftrag etwa, dass 90 Prozent der Bevölkerung eine Poststelle oder Agentur innerhalb von 20 Minuten erreichen können müssen. Die Gewerkschaft Syndicom befürchtet, dass bei einer Privatisierung das Poststellennetz weiter schrumpfen würde. Hunderte Stellen wären gefährdet, schreibt die Gewerkschaft des Postpersonals.

Mehr Transparenz dank Privatisierung

Samuel Rutz von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse hingegen fände eine Privatisierung der Postfinance sinnvoll. Denn sie würde mehr Transparenz schaffen, was die Grundversorgung der Post koste, sagt er.

«Es wäre eine saubere Lösung, dass man auch wissen würde, was wir uns da eigentlich leisten.» Die Politik müsste sich irgendwo rechtfertigen: «Wollen wir dieses Geld dafür ausgeben, dass wir an den Bankschalter ein- und auszahlen können, dass der Briefträger sechsmal pro Woche vorbeikommt? Oder wollen wir beispielsweise mehr Bildung oder Sicherheit. Dieses Preisschild würde Anreize geben, sich zu überlegen, was man eigentlich will.» Das sei heute nicht so, sagt Rutz.

Eine Expertenkommission des Bundes hat neue Vorschläge dazu präsentiert, wie die Grundversorgung in Zukunft aussehen soll – mit oder ohne Postfinance. Nun muss der Bundesrat das weitere Vorgehen definieren. Entscheiden, ob die Postfinance privatisiert werden soll oder nicht, wird das Parlament.

Echo der Zeit, 10.03.2022, 18 Uhr

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