Postfinance investiert seit 2016 in Unternehmen, darunter auch Jungunternehmen. Es sind in- und ausländische Start-ups, zum Beispiel im Bereich Online-Geldanlagen und finanzielle Lebensplanung.
Samuel Rutz von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse sagt, die Banktochter der Post gehe falsche Wege auf der Suche nach neuen Einnahmen:
«Ich glaube nicht, dass ein staatlicher Betrieb etwas in diesem Venture-Capital-Teich zu suchen hat, das ist gefährlich.» Es gehe um Risikokapital, um ausserbörsliche Beteiligungen an Unternehmen, «die als sehr riskant gelten.»
Eine wesentlich Beteiligung von Postfinance ist gemäss Geschäftsbericht die Schweizer Zahlungsplattform Twint, an der Postfinance 27 Prozent hält. Insgesamt ist Postfinance an 20 Firmen beteiligt.
Kritik an mangelnder Transparenz
Über die Postfinance-Beteiligungen ist im Geschäftsbericht im Detail nichts zu erfahren, beispielsweise, ob die Unternehmen bereits in der Gewinnzone sind. «Es fehlt an Transparenz», kritisiert Suzanne Ziegler, Bankenprofessorin an der ZHAW (Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften).
Transparenz bedeute für sie, dass man die einzelnen Beteiligungen offenlegt sowie «deren Performance und auch allfällige Verluste oder Gewinne aufzeigt.»
Buchverlust des Beteiligungsportfolios
Über einzelne Beteiligungen könne Postfinance keine Auskunft geben, heisst es vom Unternehmen auf Anfrage von «ECO», darüber sei jeweils Stillschweigen vereinbart worden.
Postfinance weist im Geschäftsbericht lediglich den Gesamtwert der Beteiligungen aus: Ein Anschaffungswert von 172 Millionen Franken (bereinigt um Zu- und Verkäufe) steht einem Buchwert Ende 2019 von 105 Millionen Franken gegenüber. Daraus ergibt sich ein Buchverlust von 67 Millionen Franken.
Einmaliger Gewinn von 24 Millionen Franken
Postfinance äussert sich wie folgt dazu: «Die Differenz zwischen Anschaffungswert und Buchwert erklärt sich durch die sehr konservative Bewertungspraxis in der Buchhaltung von PostFinance. (...) Aus diesem Grund kann aus den hohen Wertberichtigungen auf dem Beteiligungs-Portfolio nicht auf effektive Verluste geschlossen werden.»
Postfinance betont, dass die im Beitrag gezeigte Darstellung des Beteiligungs-Portfolios mit dem Buchverlust von 67 Millionen Franken nicht der Wertentwicklung der Beteiligungen entspricht. In der Berechnung fehlen die im Geschäftsbericht 2019 ausgewiesenen Marktwertreserven auf den kotierten Beteiligungen (34 Millionen Franken) und der ebenfalls im Geschäftsbericht 2019 kommunizierte einmalige Gewinn aus Beteiligungsverkäufen in der Höhe von 24 Millionen Franken. Dieser Gewinn wurde im «ECO»-Bericht vom 21. September nicht erwähnt. «ECO» bedauert dieses Versäumnis. Der Gewinn ist ein Beispiel dafür, dass aus Buchverlusten auf Beteiligungen beim Verkauf durchaus Gewinne resultieren können.
Mit ihren Beteiligungen verfolge Postfinance nicht nur Renditeziele. Dank der Zusammenarbeit mit Startups wolle man näher am Markt sein, erhalte neues Wissen und könne neue Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle oder Technologien erkennen.
Postfinance unter Druck
Das Unternehmen erklärt seine Beteiligungsstrategie wie folgt: «Postfinance steht aufgrund des eingeschränkten regulatorischen Spielraums und des erodierenden Zinsdifferenzgeschäfts noch stärker als andere Unternehmen unter Druck, neue Geschäfts- und Ertragsfelder aufzubauen.»
Neben der Optimierung des bestehenden Geschäfts sei eine Möglichkeit, sich an innovativen Jungunternehmen zu beteiligen.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Beteiligung der Postfinance sei Twint, die Schweizer Mobile App für digitales Zahlen. Diese Beteiligung illustriere, dass Postfinance erfolgreiche und innovativen Lösungen vorantreiben könne, dass es für den Erfolg unter Umständen aber viel Zeit benötigen könne.