SRF News: Können Sie kurz erklären, was sie machen?
Chetna Gala Sinha: Wir haben viele Frauen in Indien, die ein kleines Unternehmen führen. Sie verkaufen zum Beispiel Milch und Gemüse auf der Strasse. Sie haben aber nicht die Möglichkeit, Geld auf einem Konto anzulegen, weil die Beträge, die sie verdienen, zu klein sind. Ich habe deshalb eine Bank für Frauen auf dem Land gegründet, die es Kundinnen mit kleinen Beträgen ermöglicht, ein Konto zu eröffnen. Kundinnen also, die pro Tag nur einen halben Cent Erspartes auf die Bank bringen. Wir vergeben zudem kleine Kredite an Kundinnen, wenn wir Potential sehen.
Wofür brauchen diese Frauen ein Konto?
Ohne Konto bleiben die Frauen von vielen Geschäftstätigkeiten ausgegrenzt. Sie können keine Versicherungen abschliessen oder Beträge überweisen. Arme Menschen sind zudem stärker von Risiken wie Krankheit, Unfällen und dem Verlust von Eigentum bedroht als andere Bevölkerungsgruppen. Wenn die Frauen via Konto motiviert werden, etwas Geld zu sparen, können sie ihr Geld gezielter einsetzen, etwa für Notfälle, wenn sie ihren Kindern eine bessere Ausbildung ermöglichen wollen oder expandieren.
Ändert sich das Leben der Frauen wirklich, wenn sie ein Konto eröffnen können?
Wir fanden heraus, dass den Frauen ein Konto allein noch nicht entscheidend hilft. Wir bieten daher eine Reihe von weiteren Hilfen an. Wir haben zusätzlich eine Schule, die den Frauen unternehmerisches Wissen beibringt. Und wir bieten die nötigen Kontakte zu Politik und Wirtschaft an. Das alles ist entscheidend, damit die Frauen Erfolg haben.
Damit ändern Sie aber das Umfeld in Indien, das tendenziell frauenfeindlich ist?
Wir müssen kleine Schritte machen. Auch bezüglich des oft schwierigen Umfeldes haben wir dazugelernt. Wir hatten den Fall einer Strassenverkäuferin, die von der Polizei verhaftet wurde. Die Polizei machte geltend, die Frau hätte keine Sachen auf der Strasse anbieten dürfen. Wir erfuhren davon erst zwei Tage später, weil das Wochenende dazwischen war. Seither bieten wir für die Frauen eine 24-Stunden-Helpline an, an sieben Tagen die Woche.
Ihre Bank arbeitet nur mit Frauen zusammen?
Hauptsächlich. Mittlerweile haben mehr als 210'000 Frauen ein Konto bei uns, alle mit kleinen Sparbeträgen. Wir haben mit Frauen gute Erfahrungen gemacht, weil sie ihre Ersparnisse nachhaltiger investieren als die Männer. Wir haben aber gemerkt, dass Frauen in Sachen Finanzen oft unerfahrener sind als ihre Ehemänner. Deshalb können jetzt auch Männer bei uns ein Konto eröffnen. Kredite vergeben wir allerdings nach wie vor nur an Frauen.
Wie schwierig ist es für indische Frauen, ein Geschäft zu gründen und zu führen?
Schwer. In Indien dreht sich in einer Familie aus der Unterschicht alles um die Jungs. Mädchen sind nichts wert. So werden die Frauen von ihrem Umfeld auch nicht unterstützt, wenn es ums Geschäfte machen geht.
Verändert sich in Indien etwas zugunsten der Frauen?
In den mittleren und höheren Klassen sehen wir Veränderungen. Da gelten die Töchter plötzlich auch mehr bei ihren Vätern. Bei den ärmsten ist es nach wie vor schwierig. Den Frauen in Indien würden zwei Sachen helfen. Wenn das Gesetz korrekt angewendet würde, könnten sich die Frauen freier bewegen, allgemein mutiger sein. Und dann brauchen wir Väter, Mütter und Schulen, die ihren Söhnen ein anderes Verhalten gegenüber Frauen beibringen.
Von wem erhalten sie Unterstützung?
Wir haben eine Partnerschaft mit der Regierung und wir haben auch andere Partner, etwa HSBC, Accenture oder eben auch die Stiftung von Klaus Schwab. Sie helfen uns, wichtige Kontakte zu schaffen.