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Ein Sci-Fi-Roboter aus dem film.
Legende: Sci-Fi-Filme haben den Killer-Roboter vorweg genommen. Etliche Nationen forschen indes fleissig an autonomen Waffen. Keystone
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WEF 2016 Was, wenn Roboter in den Krieg ziehen?

Der Trend in den Forschungsabteilungen der Verteidigungsministerien sind autonome Waffen. Das Thema wird auch vom WEF aufgegriffen. SRF News wollte deshalb genau wissen, wie weit die Technologie schon ist und fragte den Technologie-Experten Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

SRF News: Was wird heute an autonomen oder roboter-ähnlichen, ferngesteuerten Waffen entwickelt?

Marcel Dickow: Die Europäer mit Deutschland, Frankreich und Italien, sowie die USA und Israel treiben die Entwicklungen von teilautonomen Kampfdrohnen voran. Auch China und Russland sind wohl an ähnlichen Entwicklungen dran, da wissen wir es aber nicht sicher. Heute werden Kampfdrohnen noch komplett ferngesteuert. Künftig sollen diese Maschinen Teile der fliegerischen Mission selber erledigen. Sie spüren zum Beispiel selber im feindlichen Luftraum Luftabwehrstellungen und militärische Radare auf, machen Vorschläge, wie diese angegriffen werden könnten. Nach dem Befehl eines Menschen führen sie die Operation schliesslich selbständig aus.

Heute steuert man die Drohne von der Heimat aus. Was ist der Vorteil, wenn die Maschine eigenständig agiert?

Man will den Funkverkehr zwischen den Drohnen und der Basis in der Heimat möglichst gering halten, weil der Feind die Maschine nicht entdecken soll.

Welche autonomen Waffen sind schon im Einsatz?

Keine. Es gibt serienreife Typen von Überwachungsrobotern, Fahrzeuge, die an der Grenze patrouillieren können, ausgerüstet mit einem Maschinengewehr. Aber die sind nicht im Einsatz, weil es mit Prototypen immer wieder Unfälle gegeben hat, bei denen Unschuldige Opfer wurden. Die Lage vor Ort ist meistens komplexer, als man es sich vorgestellt hat und die Maschine kann diese Komplexität noch nicht erfassen.

Guardium, Israles Überwachungs-Fahrzeug.
Legende: Guardium kann bis zu 80 km/h schnell fahren, bis zu 300 Kilo tragen und mit Waffen ausgerüstet werden. Keystone

Setzen nicht die Israeli solche Roboter im Gaza-Streifen ein?

Israel setzt im Gaza-Streifen das Guardium-Fahrzeug ein. Wie autonom es ist, da gehen die Meinungen auseinander. Selbst der Hersteller dieses Systems sagt auf der einen Seite, das Gerät sei hoch autonom, auf der anderen Seite betont er, dass es vollständig ferngesteuert wird. Ich gehe davon aus, dass dieses Ding nicht selber agiert, obwohl es dies vielleicht könnte. Auch an der Grenze von Süd- und Nordkorea vermutet man solche Roboter. Wie der letzte Stand zwischen Nord- und Südkorea ist, ist nicht bekannt.

Wo liegen die technischen Probleme dieser Waffen?

Sie liegen auf drei Feldern. Roboter sind im Moment noch nicht in der Lage, die Komplexität der Umwelt so zu erfassen und auszuwerten, dass die Maschinen angemessen agieren können. In klassischen Gefechtssituation sind die Informationen meist widersprüchlich.

Dann gibt es auch grosse Vorbehalte in den Streitkräften. Befehlshaber können mit Maschinen nicht wie mit Menschen kommunizieren, können nicht einfach ein Ziel vorgeben. Ein Verantwortlicher befiehlt etwa, die Soldaten sollen sich aus dem Hinterhalt in den sie geraten sind, herauskämpfen. Das versteht eine Maschine nicht. Sie kennt die Gesamtlage nicht, sie weiss nicht, was sie tun muss, um dieses Ziel zu erfüllen. Zudem müsste sie unterscheiden und priorisieren können.

Das dritte Problem liegt in der Energieversorgung. Roboter können nicht beliebig lange eingesetzt werden. Man sie muss auftanken oder nachladen. Dazu muss man unter Umständen zurück zur Basis, das kostet Zeit. Das ist in Kriegssituationen – vor allem am Boden – ein erheblicher Nachteil.

Wann werden wir erste autonome Waffen im Feld sehen?

Unter Experten macht man den Unterschied zwischen vollautomatisierten und autonomen Waffen. Teilautomatisierte Waffen werden wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren sehen. Die noch intelligenteren Systeme, die stärker autonom sind, werden in etwa 20 bis 30 Jahren einsatzbereit sein, vorausgesetzt, es gibt keine grossen Revolutionen in der Forschung der künstlichen Intelligenz. Gibt es die, kommen diese Waffen noch früher.

Maschinen haben keine Seele, kein Ehrgefühl, keine Gnade und haben daher kein Recht, über Leben und Tod eines Menschen zu entscheiden
Autor: Marcel DickowTechnologie-Experte

Wie sieht eine vollautomatisierte Waffe aus?

Das sind dann Maschinen, die selbständig Daten sammeln, aus diesen lernen, um dann Schlüsse für weiteres Handeln rausziehen. Schlüsse bis hin zur Tötung eines Menschen.

Menschrechtsorganisationen laufen Sturm gegen Killer-Roboter. Ihre Meinung?

Die Technologie können wir schwer verhindern. Die internationale Gemeinschaft sollte aber zumindest den Einsatz solcher Systeme verbieten. Maschinen haben keine Seele, kein Ehrgefühl, keine Gnade und haben daher kein Recht, über Leben und Tod eines Menschen zu entscheiden.

Kann es sein, dass Roboter eines Tages präziser töten können als Menschen und Kriege mit weniger zivilen Opfern möglich sind als bisher?

Roboter erledigen möglicherweise bestimmte Aufgaben präziser. Ich zweifle aber daran, dass Roboter jemals so etwas wie Intuition, Würde oder Mitleid haben. Daher glaube ich nicht, dass ein mit Robotern geführter Krieg ein sauberer, chirurgischerer, effizienterer Krieg wäre als jener ausschliesslich mit Menschen.

Wie wirken sich Roboter auf die Strategie der Staaten in der Kriegsführung aus?

Hochgerüstete Staaten könnten Kriege führen, die man bisher nicht geführt hat. Dafür gibt es zwei Gründe: Diese Staaten können zum einen Kriege ohne grosse menschliche Verluste führen. Zum andern können hochgerüstete Staaten in grosser Massivität und Geschwindigkeit Dinge tun, die man bisher nicht tun konnte und die die Gegenwehr des Feindes gar nicht erst zulassen.

Male 2020, die Drohen der Europäer.
Legende: Frankreich, Deutschland und Italien wollen eine Drohne mit langer Flugdauer (Male 2020). dassault-aviation.com

Zum Beispiel?

Zum Beispiel könnten Staaten mit einer grossen Anzahl von Drohnen, die radargetarnt sind und autonom agieren, einen präventiven Enthauptungsschlag durchführen, möglicherweise selbst gegen eine Nuklearmacht. Man kann ohne Vorwarnung und ohne entdeckt zu werden weit ins Landesinnere eines Gegners eindringen und dort wesentliche militärische Fähigkeiten oder eine politische Führung ausschalten. Das sind neue strategische Optionen. Autonome Waffen könnten, den Krieg, die Art des Krieges und die Bereitschaft, auf einen Krieg überhaupt einzutreten, verändern.

Terroristen werden sich diese Waffen zu Nutze machen können, weil sie die zivile Technologie, die die militärischen Innovationen nach sich ziehen, anwenden können
Autor: Marcel DickowTechnologie-Experte

Welche Arten von Krieg könnten gängiger werden?

Überraschungsangriffe könnten häufiger werden. Kriege, die heute nicht geführt werden, weil sie verlustreich sind, würden eher geführt. Auch Kriege in Gegenden, die für Menschen sehr schwer zugänglich sind, weil sie gebirgig oder unwirtlich sind. Maschinen werden aber auch künftig da weniger sichtbar sein, wo innerhalb der Zivilbevölkerung gekämpft wird. Eine der Lehren aus asymmetrischen Konflikten wie Afghanistan ist, dass man einen solchen Krieg nur gewinnen kann, wenn man auch die Herzen der Menschen hat. Mit Drohnen, Panzern und hochgerüsteten Soldaten da hineinzugehen, bringt nichts. Die Menschen lehnen die Maschinen ab.

Was bedeuten solche Waffen für den Terrorismus?

Terroristen werden sich diese Waffen zu Nutze machen können, weil sie die zivile Technologie, die die militärischen Innovationen nach sich ziehen, anwenden können. Man könnte schon heute eine Spielzeugdrohne mit Sprengstoff ausrüsten und gezielt Attentate durchführen. Zudem entstehen bei hochgerüsteten Streitkräften neue Verwundbarkeiten, weil man Systeme und Roboter hacken und allenfalls neu programmieren kann.

Weshalb entwickeln dann die Industrienationen so fleissig autonome Waffen, wenn sich daraus so viele Nachteile ergeben?

Weil auch die hochentwickelten Staaten zueinander in Konkurrenz stehen. Wer nicht entwickelt, gerät ins Abseits. Zwar wurden die militärischen Konflikte zwischen den Staaten weniger. Doch es kommt immer noch vor, wie das Beispiel der Ukraine zeigt.

Das Gespräch führte Christa Gall.

Zur Person

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Zur Person

Marcel Dickow leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Zu seinen Schwerpunkten gehören Robotik und Autonome Systeme, Europäische Raumfahrt- und internationale Cyberpolitik. Neben seiner Forschungstätigkeit in diversen Institutionen hat Dickow auch das das deutsche Auswärtige Amt beraten.

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