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Wenige Chefinnen Genug geklagt

Die internationalen Zahlen sprechen für sich. In den 500 grössten Unternehmen der USA gibt es etwa gleich viele CEOs, die John heissen, wie es weibliche CEOs gibt – rund 5 Prozent. Das war vor Kurzem in der New York Times zu lesen.

Frauenanteile in den 100 grössten Schweizer Unternehmen

20182017
Verwaltungsrätinnen19 % 17 %
Geschäftsleitungsmitglieder7 %
8 %
Schilling Report 2018

Auch wenn die Schweizer CEOs wohl eher Michael oder Christoph heissen: Das Bild ist ein ähnliches. Laut dem aktuellen Schilling-Report sind 93 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder der grössten 100 Schweizer Unternehmen Männer.

Zuschauer
Legende: Frauen gesucht: Wirtschaftsanlässe wie das Swiss Economic Forum zeigen, wie es um die Geschlechterverteilung steht. SEF

Die Forschung zeigt: Der Frauenmangel hat mit unseren eigenen Voruteilen zu tun. Soziologin Clara Kulich forscht an der Universität Genf.

Sie sagt im Interview: «Viele Menschen verbinden ‘Männer’ und ‘Chefs’ mit ähnlichen Eigenschaften, zum Beispiel Durchsetzungsvermögen. Mit Frauen verbindet man eher zwischenmenschliche Eigenschaften, sie sollen zum Beispiel freundlich und zuvorkommend sein. Das heisst, das Frauenbild in unseren Köpfen passt nicht mit unserem Bild von einem Chef zusammen.»

Mehr Frauen – diese Forderung kommt auch von einer überraschenden Seite. Kuno Hämisegger vom Männerverband ist der Meinung: Unsere heutigen Arbeitsstrukturen sind die falschen für Frauen.

Männerverband: Hierarchische Strukturen schaden allen

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Kuno Hämisegger ist Gründungsmitglied von männer.ch, dem Dachverband der Männer- und Väterorganisationen der Schweiz. Er ist zudem ehemaliger des Chefökonom des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements.

SRF News: Herr Hämisegger, warum gibt es heute in der Schweiz immer noch verhältnismässig wenige Frauen in Führungspositionen?

Kuno Hämisegger: Die Wirtschaft hat ein grosses Interesse daran, die Power, die Kreativität, die Leistungen von Frauen stärker einzubringen, das ist ganz klar. Viele junge Frauen geben Gas, die Unis sind voller Frauen. Es wird sich also noch sehr viel verändern. Die Frage ist nur, in welche Richtung. Ist die Hierarchie die Organisationsform, in der diese Veränderungen stattfinden? Das ist die Hauptfrage.

Also Sie stellen das hierarchische System, das immer noch viele Unternehmen prägt, grundsätzlich infrage?

Genau. Um in einer Hierarchie die Leiter hochzuklettern und Karriere zu machen, braucht man gewisse Eigenschaften – nicht zuletzt eine ordentliche narzisstische Ladung. In Hierarchien wird viel Zeit und Energie für Machtkämpfe verschwendet.

Und Sie würden sagen, das liegt den Frauen weniger als den Männern?

Ökonomisch möchte ich vorwegnehmen: Machtkämpfe sind ineffizient und senken die Produktivität, das ist ganz klar. Und ich glaube, Frauen haben eine kluge Intuition, sich nicht zu sehr in diese Machtkampfszenarien hineinzubegeben. Frauen möchten nicht ihre Kreativität, ihre Energie, ihre Familie, ihr Leben opfern für eine Stellung in einer Hierarchie. Hierarchien gehören der Vergangenheit an.

Diese klassischen, hierarchischen Strukturen – die sind für Frauen also gar kein attraktives Arbeitsumfeld, in Ihren Augen?

Das würde ich dreist behaupten, ja. Und auch nicht für die jungen, ‘neuen’ Männer. Und eben: Es ist ökonomisch nicht mehr sinnvoll. Sobald es möglich sein wird, seine Power, seine Kreativität effizienter einzubringen als in theatralischen Machtkämpfen, die nur Zeit vergeuden, werden die Frauen in Scharen die Schweizer Wirtschaft beflügeln.

Hier am SEF treffen sich mehr als 1300 Entscheidungsträger. Was können diese konkret tun, um diesen Wandel voranzutreiben?

Teilzeit zu arbeiten muss in den Köpfen von Führungspersonen komplett normal werden. Es muss möglich sein, 70 Prozent zu arbeiten und Karriere zu machen. Und es ist absolut unerlässlich, dass man dann pro Stunde auch gleich viel verdient, wie jemand, der zu 100 Prozent arbeitet. Das ist der entscheidende Schritt: Nicht nur für die Frauen, auch für die jungen Männer.

Das Interview führte Melanie Pfändler.

Ungleich schwerer haben es Frauen aus noch traditioneller geprägten Gesellschaften. Die Äthiopierin Bethlehem Tilahun Alemu hat das Schuhlabel «SoleRebels» gegründet. Für sie ist es auch eine Frage der Haltung, wie Frauen an eine Führungsposition herangehen.

Am Swiss Economic Forum sagt sie im Interview: «Ich sehe mich nicht als Frau. Denn das würde mich davon abhalten, zu tun was ich tue. Es könnte eine Ausrede sein, um nicht zu arbeiten. Ich könnte sagen: Ich bin eine Frau, ich bin schwach.» Man müsse sich schlicht als fähige Person sehen. «Wenn es eine Herausforderung gibt, dann stelle ich mich dieser Herausforderung.»

Themenschwerpunkt im Radio

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SRF 4 News sendete einen Schwerpunkt zum Thema – live vom Swiss Economic Forum. Die Sendung ist in Kürze an dieser Stelle zu sehen. Zudem sprach SRF 3 mit Jungunternehmerin Lea von Bidder.

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