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Wenn Analysten irren Starke Verluste statt satte Gewinne

Das Börsenjahr 2018 war schlechter als erwartet. Warum frohlockten die Ökonomen? Und: Sind Prognosen überhaupt möglich?

Bei den Prognosen für 2018 waren sich praktisch alle Analysten einig: Satte Gewinne und gute Konjunktur würden die Aktienmärkte beflügeln.

Auch Renato Flückiger von der Valiant Bank war optimistisch. Er schrieb im Februar auf Bilanz Online: «Bei gleichzeitig steigenden Gewinnerwartungen (...) dürften sich die Mittelzuflüsse wieder verstärken. Deshalb traue ich dem SMI in zwölf Monaten einen Anstieg von bis zu 10 Prozent zu. Das würde einem Stand von etwa 9700 Punkten entsprechen.» Doch der SMI stieg nicht – er fiel auf 8195 Punkte.

Heute sagt Flückiger: «Damit muss man rechnen, wenn man sich so aus dem Fenster lehnt und eine solche Prognose abgibt.» Wichtig sei, dass man während des Jahres – wenn man sehe, dass sich die Prognose verändert – agiere und die Anlagepolitik danach ausrichte.

Flückiger ist nicht allein. Praktisch alle Marktbeobachter haben sich Anfang Jahr verschätzt. Der Hauptgrund liege in den politischen Verwerfungen, diese seien nicht vorhersehbar gewesen, sagt Daniel Kalt, Chefökonom bei der UBS. «Es sind vor allem die geopolitischen Risiken, die man nur sehr schwer voraussehen kann.» Relativ gut abschätzen könne man hingegen die Weltwirtschaft und Gewinnentwicklungen von Unternehmen.

Geopolitisch ein turbulentes Jahr

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Ende Januar griff die Sorge um sich, in den USA könnte die Notenbank den Leitzins schneller erhöhen, als bisher angenommen. Auch an anderen Börsen führte das zu tiefroten Kursen.

Im März traten die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium in Kraft – der Handelskonflikt zwischen den USA und China verschärfte sich im Laufe des Jahres weiter. Das liess die Börsen aber vorerst noch kalt.

Im Juni übernahm in Italien eine EU-kritische Regierung das Ruder, die im Haushaltsstreit auf Konfrontationskurs mit der Europäischen Union ging. Gleichzeitig begann der Wirtschaftsmotor der EU zu stottern – und der Brexit wurde zum drängenden Thema.

Im Oktober führten schliesslich all diese Unsicherheiten zu einem Kursrutsch – nicht nur an der Schweizer Börse, sondern an den Börsen weltweit.

Alles Ausreden?

Dass geopolitische Spannungen nicht voraussehbar seien, sei eine Ausrede, sagt Adriel Jost, Chefökonom vom Beratungsunternehmen Wellershoff und Partners. Politische Ereignisse seien nie vorhersehbar.

«Wer kann schon sagen, wo ein Aktienindex am 31. 12. 2018 steht. Das ist schlicht unmöglich.» Das sage nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern zeigten auch wissenschaftliche Untersuchungen. «Deshalb soll man ganz auf solche Prognosen verzichten», so Adriel Jost.

Entscheidungsgrundlagen für die Anleger

In der Zürcher Kantonalbank kann man die Kritik nachvollziehen. Aber: Marktprognosen seien wichtige Pfeiler für Anleger, sagt Chefanalyst Manuel Ferreira.

Es seien Annahmen in der Unsicherheit, Entscheidungsgrundlagen. Diese könnten durchaus auch mal falsch sein. «Sehr häufig hat man Punktprognosen im Kopf. Viel entscheidender ist aber, ob man die Stossrichtung der konjunkturellen und wirtschaftlichen Entwicklung voraussieht.» Das sei deshalb wichtig, weil man in Erwartungen investiere. «Und für das braucht es Annahmen in die Zukunft», so Ferreira.

Nach dem harten Dämpfer in diesem Jahr sind die Marktbeobachter fürs 2019 immer noch optimistisch, allerdings verhalten. Denn auf lange Sicht würden Aktien immer gewinnen, heisst es.

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